Monty Richthofen in Aachen
Bei Instagram findet man ihn unter dem Pseudonym Maison Hefner. Online hat sich Monty Richthofen eine Fanbase als Tätowierer aufgebaut, der krakelige Texte in fremde Körper einritzt. Und der Münchener Künstler präsentiert seine Schriftzüge als Graffiti im öffentlichen Raum, auf großen Leuchtboxen oder Notizzetteln in Galerien. In Aachen ist nun eine Werkschau zu sehen, in der neben Malereien viele textbasierte Werke zu sehen sind, darunter die immersive Arbeit "If This Is You Who Am I", in der ein auf mehrere Leuchtkästen aufgesprühter Text teils unkenntlich gemacht wurde. Bei Richthofen muss man immer zwischen den Zeilen lesen.
"Monty Richthofen: Thank god god is dead", Neuer Aachener Kunstverein, bis 26. Mai
Libby Heaney in Basel
Das ist einmalig: eine Künstlerin mit einem Doktortitel in Quantenphysik. Ein knappes Jahrzehnt lang arbeitete Libby Heaney als Wissenschaftlerin, störte sich aber am Mangel an kritischen Diskursen in ihrem Fachgebiet, das sie inzwischen aus dem erweiterten Blickwinkel der Kunst betrachtet. In Videoinstallationen, Game-Environments und partizipatorischen Experimenten erforscht die Britin neue Ausdrucksformen kollektiver Identität. Das Haus der elektronischen Künste in Münchenstein bei Basel präsentiert nun Libby Heaneys erstes Solo in der Schweiz. Im Vordergrund der Ausstellung "Quantensuppe" stehen Werke, die sich mit Quantencomputing beschäftigen und die überbordende Realität der Quantenwelt für das Publikum erfahrbar machen.
"Libby Heaney: Qunatensuppe", Haus der Elektronischen Künste, Basel, bis 26. Mai
Caspar David Friedrich in Berlin
Mit "Unendliche Landschaften" in der Berliner Alten Nationalgalerie steht das Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag des Malers Caspar David Friedrich (1774–1840) vor einer weiteren Blockbuster-Ausstellung. Nach dem Erfolg in Hamburg, wo Werke des bedeutendsten Malers der deutschen Romantik in den vergangenen Monaten rund 335.000 Menschen angelockten, sind die Besuchszeiten auf der Berliner Museumsinsel bereits ausgeweitet worden. "Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften" ist bis zum 4. August zu sehen. Eine weitere Schau wird in Dresden im Herbst folgen.
Neben dem berühmten Bilderpaar "Mönch am Meer" (1808-1810) und "Abtei im Eichwald" (1809-1810) sind so bekannte Werke wie "Das Eismeer" (1823/24), "Kreidefelsen auf Rügen" (1818/1819) oder "Lebensstufen" (1834) zu sehen. Insgesamt werden in Kooperation mit dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin mehr als 60 Gemälde und 50 Zeichnungen aus dem In- und Ausland gezeigt.
Die Berliner Ausstellung ist Teil einer Reihe thematisch eigenständiger Schauen zum Jubiläumsjahr in der Hamburger Kunsthalle, der Alten Nationalgalerie und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Die drei Häuser verfügen über die bedeutendsten Bestände an Werken Friedrichs weltweit. (dpa)
"Caspar David Friedrich: Unendliche Landschaften", Alte Nationalgalerie, Berlin, bis 4. August
Familienfreundliche Ausstellung in Dortmund
Zusammen mit Kindern entwickelt und besonders für Kinder gedacht: In der Ausstellung "Kopfüber in die Kunst" ab Sonntag im Museum Ostwall im Dortmunder U können Besucher und Besucherinnen Kunsträume spielerisch erleben. Das stellte die Museumsleitung am Freitag vor. Raumgreifende Werke internationaler Künstler reihen sich aneinander zu einem Parcours aus acht Installationen. Man darf alles anfassen, durch scheinbar feste Wände hindurchgehen und auch selbst gestalten, wie fünf Grundschulkinder bei einer Vorbesichtigung demonstrierten.
Ein besonderes Highlight: Mit einer kleinen Laterne lassen sich magische Schattenwesen mit leuchtenden Augen in einem dunklen Raum dirigieren und goldene Fischschwärme herbeizaubern. "Am Anfang haben sie Angst vor uns, dann mögen sie uns", berichtete die neunjährige Eva. "Mit dem Licht können wir sie bewegen und ihnen Eingänge an die Wand malen. Das fühlt sich krass an", schilderte ihr achtjähriger Kollege Samson. Das Werk funktioniert über ein komplexes System, das mittels vier Sensoren im Raum und einem in Verbindung stehenden Chip in der Laterne arbeite, wie der Künstler und Programmierer Joon Moon erläuterte.
Es gibt zudem einen Schaumraum, der ertastet und erklettert werden kann oder auch einen hell erleuchteten Raum, dessen Struktur sich von jeder Seite aus betreten und durchkreuzen lässt. Licht- und Farbenspiele sind dabei, Hula-Hoop-Reifen warten auf ihren Einsatz und ein Wandeln durch ein digitales Ökosystem ist möglich.
An der Ausstellung haben Kinder mitgearbeitet, sie richte sich vor allem an Familien, sagte der Leiter des Dortmunder U, Stefan Heitkemper. Das Museum stelle sich immer stärker auf diese Zielgruppe ein. Bei "Kopfüber in die Kunst" bis zum 25. August gibt es auch Kinderbuchlesungen und Kinderkino. (dpa)
"Kopfüber in die Kunst", Dortmunder U, bis 25. August
Nick Waplington in London
Sind wir in einer Ausstellung zum Thema Tabakkonsum? Auf den Bildern des britischen Fotografen Nick Waplington in der Londoner Galerie Hamiltons wird recht viel geraucht, auch wenn die Abgebildeten nicht immer das gesetzliche Mindestalter dafür erreicht haben dürften. Seine Serie "Living Room" entstand im Thatcher-England, erschien 1991 als Fotoband und sorgte für den Durchbruch des Künstlers.
Hier sind nun andere Bilder aus der Serie zu sehen. Über Jahre hat er Familie, Freunde und Nachbarn des Broxtowe Housing Estate in Nottingham porträtiert. Ein Baby isst auf dem Fußboden Pommes, dicke Kinder sitzen auf Sofas, ein Hase scheint einen Preis gewonnen zu haben, niemand hat aufgeräumt. Waplington dokumentierte auch schon Post-Punk, Rave und Alexander McQueens letzte Kollektion. Seine Aufnahmen der Workingclass wirken nicht voyeuristisch, ihre Weite und Glossyness verhindern jegliche falsche Betroffenheit. Und dabei geht es natürlich nicht nur ums Rauchen.
"Nick Waplington: Living Room", Hamiltons, London, bis 25. Mai
Künstlerinnen-Trio in Magdeburg
Im Kunstmuseum Magdeburg - Kloster Unser Lieben Frauen bearbeitet ein Künstlerinnen-Trio das Thema Geschlechter und reflektiert vor diesem Hintergrund die Rolle der Frau. Die Ausstellung trägt den Titel "Unverschämt rebellisch. Sanja Iveković. Ulrike Rosenbach. Gabriele Stötzer." und ist noch bis zum 30. Juni zu sehen. Die zeitgenössischen Künstlerinnen entwickelten der Museumsleitung zufolge unabhängig voneinander eine Bildsprache, die gängige Geschlechterrollen und die damit verbundenen kulturellen Normen kritisiert. Ihre Kunst stehe dabei in den verschiedenen politischen Kontexten ihrer Herkunft.
Das kreative Trio verwende Unterschiedliches, etwa Performances, Fotografien, Textilien, Schriften, Malerei und Film. Sie prangerten auch Geschlechtszuweisungen an, hieß es. Ausgehend von ihren eigenen Biografien seien Werke entstanden, die das Verhältnis von Geschichte und Gegenwart vor dem Hintergrund ihrer weiblichen Identität thematisierten. Die Ausstellung präsentiert sowohl frühe Werke als auch aktuelle. Iveković ist Jahrgang 1949 und gebürtige Kroatin, Rosenbach (Jahrgang 1943) und Stötzer (Jahrgang 1953) kommen aus Niedersachsen und Thüringen. (dpa)
"Unverschämt rebellisch. Sanja Iveković. Ulrike Rosenbach. Gabriele Stötzer.", Kunstmuseum Magdeburg - Kloster Unser Lieben Frauen, bis 30. Juni
Erste Triennale in Nîmes
Die riesige Skulptur "Water lines" von Feda Wardak und dem bekannten Künstler Tadashi Kawamata steht in den romantischen Fontaine-Gärten aus dem 18. Jahrhundert. Sie gleicht einem Aquädukt, aus dem auf mysteriöse Weise Wasser spritzt. Sie gehört zu den Installationen im öffentlichen Raum der ersten Kunsttriennale der südfranzösischen Stadt Nîmes.
Mit der bis zum 23. Juni dauernden Schau "Contemporaine" will sich Nîmes kulturell gegen Avignon mit dem Theaterfestival und Aix-en-Provence mit seinem Lyrikfestival behaupten. Oder mit den Worten des Bürgermeisters der rund 150.000 Einwohner großen Stadt, Jean-Paul Fournier, ausgedrückt: Die römischste aller französischen Städte will zum "Epizentrum des zeitgenössischen Schaffens" werden.
Nîmes ist mit Kunst bereits gut aufgestellt: Das 2018 eröffnete Musée de la Romanité gleich neben dem bekannten Amphitheater beherbergt bedeutende archäologische Sammlungen, das Museum der Schönen Künste die zweitgrößte Sammlung der Region Languedoc-Roussillon mit französischen, flämischen, niederländischen und italienischen Malereien.
Das Carré d’Art zieht schon seit über 30 Jahren Liebhaber von Kunst von 1960 bis heute an. Ein Teil der Sammlung ist der deutschen Malerei gewidmet mit Werken von Gerhard Richter, Sigmar Polke und Albert Oehlen, ergänzt durch Installationen von Thomas Schütte.
Die Triennale zeichnet sich durch ein besonderes Konzept aus: Sie entwirft Tandem-Projekte, die vielversprechende Künstler ihrer Generation mit etablierten und älteren Kollegen vereint. Dazu gehört das Duo Kawamata/Feda Wardak sowie die Turner-Prize-Trägerin Laure Prouvost und Caroline Mesquita.
Bemerkenswert ist auch die Ausstellung von Jeanne Vicerial "Avant le jour" (Vor dem Tag) im Museum Vieux Nîmes. Sie hat sich mit dem Werk des 2022 verstorbenen Malers Pierre Soulages auseinandergesetzt, der sein Leben lang die Farbe Schwarz erforschte. Das Ergebnis: Monochrome Textil-Skulpturen, die sie aus einem einzigen, mehrere Kilometer langen Faden geschaffen hat. (dpa)
Triennale "Contemporaine", Nîmes, bis 23. Juni
Constantin Brancusi in Paris
Constantin Brancusi gilt als einer der bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts und als Erfinder der modernen Skulptur. Nach knapp 30 Jahren widmet das Pariser Centre Pompidou dem französisch-rumänischen Künstler (1876-1957) wieder die erste große Ausstellung – und eine der letzten bedeutenden Retrospektiven in seinen Räumen, bevor die Einrichtung Ende 2024 wegen Renovierungsarbeiten bis 2030 schließt.
Über 120 Skulpturen und rund 400 Zeichnungen, Fotografien, Filme und Dokumente illustrieren das Streben Brancusis nach Vereinfachung der Formen, die der Abstraktion den Weg ebnete. Dabei werden alle Dimensionen seines Schaffens beleuchtet, das sich an der Schnittstelle zwischen Klassik und Avantgarde, figürlicher und abstrakter Kunst bewegt. Zu sehen sind seine ikonischen Arbeiten wie "Der Kuss", "Die schlafende Muse" sowie seine stilisierten "Fisch"- und "Vogel"-Gestalten aus Stein und Bronze.
Weniger bekannt ist, dass Brancusi seine Arbeiten in seinem Atelier auch fotografierte und filmte. Schon früh begriff er, welches Potenzial Fotografie und Film für die Bildhauerei bedeuteten: die Möglichkeit, ein Werk von allen Seiten zu betrachten, die Wirkung von Licht und Schatten zu erfassen und es regelrecht in Szene zu setzen.
Es ist das erste Mal, dass eine Retrospektive dieser Größenordnung in Frankreich organisiert wird, insbesondere aufgrund der Fragilität der Skulpturen aus den wichtigsten internationalen Sammlungen unter anderem der Tate Modern, dem MoMA in New York, dem Philadelphia Museum of Art und dem nationalen Kunstmuseum Rumäniens.
Im Mittelpunkt der Ausstellung "Brancusi, l’art ne fait que commencer" (Brancusi, die Kunst fängt erst an) steht die identische Rekonstruktion seiner Werkstatt, die Brancusi 1957 dem Centre Pompidou vermachte. Die Pariser Einrichtung wird während der Schließung einen Teil ihrer Sammlungen in ihren Filialen im In- und Ausland zeigen und Schauen in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Grand Palais organisieren. (dpa)
"Brancusi, l’art ne fait que commencer", Centre Pompidou, Paris, bis 1. Juli
Peter Hujar in Venedig
Die Fotografie, schrieb Susan Sontag, "verwandelt die ganze Welt in einen Friedhof. Fotografen, die Kenner der Schönheit", seien auch "die aufzeichnenden Engel des Todes". Für Peter Hujars Buch "Portraits in Life and Death" schrieb Sontag den Text, aus dem das Zitat stammt.
1987 starb der Fotograf 53-jährig an den Folgen von Aids. Das einzige Buch, das er zu Lebzeiten veröffentlichte, kombinierte 29 Bildnisse aus seinem Freundeskreis mit elf Fotografien aus Katakomben, die Hujar 1963 in Palermo aufgenommen hatte. Sarkophage, Verwesung, Schädel neben Porträts legendärer Persönlichkeiten wie John Waters, Divine, Fran Lebowitz und Robert Wilson. Die Porträts sind allesamt 1974/75 entstanden. Wäre Hujar schon in Italien auf die Idee der Gegenüberstellung gekommen, hätte er gerade noch Jean Cocteau fotografieren können, von dem der berühmte Satz stammt: "Jeden Tag sehe ich im Spiegel den Tod am Werk."
Entsprechend gewann auch Sontag den Eindruck, Hujars Modelle "meditierten über ihre eigene Sterblichkeit". Während der kommenden Biennale werden in Venedig alle 40 Aufnahmen als Vintage-Abzüge in der spätbarocken Kirche Santa Maria della Pietà zu sehen sein. Hinzu kommen einige bisher selten gezeigte Originalprints, die Hujar für die Publikation abgezogen hatte, die aber doch nicht ins Buch kamen. Alle Bilder sind vom empathischen Blick des Fotografen geprägt. Modelle berichteten jedoch, wie er mit diabolischer Geduld abwartete, bis die Fotografierten ihre Selbstinszenierung aufgaben. Hujars "formal klassische" Bilder, schrieb der dem Künstler eng verbundene Autor Stephen Koch, zeigten einen "Klassizismus, der in die Hölle starrt".
"Peter Hujar. Portraits in life and death", Santa Maria della Pietà, Venedig, bis 24. November
Josèfa Ntjam in Venedig
Die LAS Art Foundation ist so etwas wie das Science- Fiction-Labor der zeitgenössischen Kunst, was die Stiftung auch bei ihrem ersten Venedig-Auftritt beweist. Die Künstlerin Josèfa Ntjam entfaltet mit "swell of spæc(i)es" einen Schöpfungsmythos, der sich um Meeresplankton rankt. Das Publikum taucht mittels Klangskulpturen und Computeranimationen (die Klangwelt der Animation wird von der Komponistin Fatima Al Qadiri produziert) in ein poetisches Ökosystem ein, das zugleich ozeanisch und kosmisch anmutet. Passend dazu erstreckt sich die Ausstellung auf einen eigens entworfenen Pavillon im Innenhof der Accademia di Belle Arti sowie auf den Palazzina Canonica, den ehemaligen Hauptsitz des Meeresforschungsinstituts von Venedig.
Josèfa Ntjam "Swell of spæc(i)es", Accademia di Belle Arti und Palazzina Canonica, Istituto di Scienze Marine, Venedig, bis 24. November