Die Kunst der Woche in Basel, Berlin, Dresden, Düsseldorf, Lausanne, Leipzig, Lichtenstein, Nürnberg und Weimar
Vivian Suter in Basel
In Argentinien wird sie geboren, in Basel als Künstlerin ausgebildet. 1983 lässt sich Vivian Suter in Guatemala nieder. Auf einer ehemaligen Kaffeeplantage entstehen ihre großformatigen, expressiven Gemälde auf Papier. Spuren der Natur lässt die Künstlerin zunehmend auf ihren Bildern stehen, vor allem seit ein Tropensturm ihr Lager 2010 mit Schlamm überflutet hat. Im Kunstmuseum Basel/Gegenwart sind unter der sinnlichen Uberschrift "Soft and fluffy is my soul - my tommy juices don't worry - are sweet like a liquorice roll" Werke von den frühen 1980er-Jahren bis heute zu sehen.
Kunstmuseum Basel, bis 1. Oktober
Yad-Vashem-Ausstellung in Berlin
Die Ausstellung der Gedenkstätte Yad Vashem im Berliner Museum für Fotografie wird bis Januar verlängert. "Ich bin zutiefst dankbar für die überwältigende Resonanz der Besucherinnen und Besucher", sagte Dani Dayan, Vorstandsvorsitzender der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, laut einer Mitteilung des Fotografie-Museums. Bislang hätten etwa 40.000 Menschen die Ausstellung besucht. Deren Laufzeit werde bis zum 28. Januar 2024 verlängert, ursprünglich sollte sie am 20. August enden.
Die israelische Gastausstellung "Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust" zeigt in unterschiedlichen Kapiteln mit zahlreichen historischen Beispielen den Umgang mit dem Medium Fotografie durch die Nationalsozialisten, ihre Opfer und die Kriegsgegner. Die Sonderschau ist eine Kooperation mit der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Berlin. In Jerusalem war die Ausstellung bereits 2018 zu sehen.
Gezeigt werden neben einer Geschichte der Fotografie die Umstände des Fotografierens in dieser Zeit. Dabei geht es unter anderem um professionelle Perspektiven am Beispiel etwa von NS-Ikone Leni Riefenstahl, aber auch von Kriegsberichterstattern der Alliierten - etwa während der Befreiung. Großer Raum wird auch der besonderen Sichtweise jüdischer Fotografinnen und Fotografen als direkte Opfer des Holocausts gegeben. (dpa)
"Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust", Museum für Fotografie, Berlin, bis 28. Januar 2024
Georg Baselitz in Dresden
Nach acht Jahren ist Georg Baselitz zurück im Dresdner Albertinum. Der ihm vorbehaltene Raum werde erstmals wieder mit dessen Werken "bespielt", sagte Direktorin Hilke Wagner der Deutschen Presse-Agentur. Das Museum zeigt seinen Bestand an Gemälden des aus Sachsen stammenden Künstlers zu dessen 85. Geburtstag. Die Arbeiten stammen "aus allen Schaffensperioden". Drei der Werke kamen im Zuge der Stiftung Günther und Annemarie Gercken ins Albertinum - und eines 2014 als Schenkung von Baselitz.
"Ich freue mich sehr, dass meine für mich so wichtigen Bilder nach so langer Zeit wieder im Albertinum zu sehen sind", sagte der Maler, Bildhauer und Grafiker. "Zum Glück musste ich nicht erst 90 werden, um das zu erleben."
Seit 2010 gab es für ihn einen eigenen Saal im Albertinum. 2015 aber hatte er im Zuge des geplanten Kulturgutschutzgesetzes seine Leihgaben auch aus dem Dresdner Museum zurückgefordert und abholen lassen. Der Raum war dann neu eingerichtet worden.
Diese Bilder sind laut Baselitz inzwischen im Metropolitan Museum in New York. "Dort hat man sich sehr über diese Schenkung gefreut, welche ohne die von Frau Grütters erhoffte Kunstausfuhrbeschränkung wohl nie zu Stande gekommen wäre." Seine Reaktion "war überhaupt nicht übertrieben". Viele andere Sammler und Mäzene hätten es genauso gemacht und ihre Leihgaben zurückgezogen. Man habe bei denen "nur nicht so einen Wirbel darum" gemacht. "Dieses Gesetz hatte übelste Auswirkungen auf deutsche Museen, die man noch heute spürt", sagte Baselitz. "Hoffen wir mal, die Zeiten werden wieder besser."
Bis Anfang Januar sind laut Wagner im Baselitz-Saal nun Werke versammelt, die von einer besonderen Verbindung des Malers zu Dresden zeugen. "Er hat immer betont, wie wichtig seine Besuche als Jugendlicher in den Kunstsammlungen für ihn sind." 1956 sei er erstmals dort gewesen und habe die gerade erst zurückgekehrten, 1945 in die Sowjetunion verbrachten Werke der Alten Meister gesehen.
Dies war für den als Hans-Georg Kern im kleinen Ort Deutschbaselitz in der Lausitz geborenen Künstler "Fundament für mein ganzes Leben". So bezieht sich etwa "Statement" auf Raffaels Sixtinische Madonna aus dem 16. Jahrhundert und "The Bridge Ghost’s Supper" auf die Brücke-Künstler. Und "Der Wald auf dem Kopf" malte Baselitz nach Ferdinand von Rayskis Bild "Wermsdorfer Wald" - das hing als Reproduktion in seinem Klassenzimmer. (dpa)
Focus Albertinum: Georg Baselitz, Dresden, bis Anfang Januar
Reflexion der "Entartete Kunst"-Ausstellung in Dresden
Eine Ausstellung im Dresdner Landhaus erinnert bis Januar 2024 an ein dunkles Kapitel in der Geschichte der städtischen Kunstsammlung - die Nazi-Schau "Entartete Kunst" vor 90 Jahren. "Dresden war Initialzündung für alles Folgende", sagte Kurator Johannes Schmidt von der Städtischen Galerie der Deutschen Presse-Agentur. Dieser ersten Präsentation, in der Werke der künstlerischen Moderne an den Pranger gestellt wurden, folgten die Münchner Schau 1937, die Beschlagnahmung der Dresdner Werke 1938 und deren Verkauf über spezielle Kunsthändler. "Sie sind verstreut in aller Welt."
Auf Schautafeln ist nachvollziehbar, was damals passierte, "was wir verloren haben", aber auch Wiedergewonnenes wie einige Grafiken von "Brücke"-Künstlern, die in den 1950er-Jahren zurückgegeben wurden, oder das Aquarell "Akt am Ofen" von Christoph Voll. Und in der ständigen Ausstellung hängt das wichtigste zurückgekehrte Werk: "Sonnenaufgang" von Otto Dix, der das 1920 dem Stadtmuseum schenkte. Es konnte 2012 aus Privatbesitz für die Sammlung zurückerworben werden.
Insgesamt wurden über 500 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, grafische Blätter und Skulpturen von Expressionisten und der abstrakten Kunst aus dem Bestand entfernt und nach Berlin gebracht. Durch Nachforschungen seit der Wende bekannt ist, dass sich etwa bedeutende Gemälde der Dresdner Sammlung heute im Museum of Modern Art New York oder der Tate Modern London befinden. Zurückfordern könne man sie nicht, sagte Schmidt. Das der Einziehung zugrundeliegende Gesetz von 1938 "wurde nie für ungültig erklärt".
Mit ihrer Sammlung der Klassischen Moderne würde die Städtische Galerie "einen herausragenden Platz in der deutschen Museumslandschaft einnehmen - wäre diese erhalten geblieben", sagte Schmidt. Immerhin, mit dem Ankauf von Ernst Ludwig Kirchners "Straßenszene" 2016 aus Privatbesitz durch die Staatlichen Kunstsammlungen ist ein weiterer prominenter Verlust zurück - im nahen Albertinum. (dpa)
"Entartete Kunst", Dresdner Landhaus, bis Januar 2024
Promi-Kunst in Düsseldorf
Meist gilt es, zu lächeln und nicht allzu viel zu sagen, wenn jemand plötzlich bekennt, "auch Kunst" zu machen, und anbietet, sie "gern mal zu zeigen". Der Direktor des NRW-Forums Alain Bieber reagiert ganz anders. Er lädt jetzt eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Schauspielerinnen und Schauspielern, Musikerinnen und Musikern und anderen Prominenten, die sich auch künstlerisch betätigen, zu einer gemeinsamen Ausstellung ein - und schon ist die Neugier geweckt.
Der Celebrity-Status der Beteiligten - von Grimes bis Harald Glööckler - ist so unterschiedlich wie die Ergebnisse. Grünen-Politiker Anton Hofreiter, promovierter Biologe, malt Blumenstillleben auf gutem Grundschulniveau. Der Ex-Tennisprofi Michael Stich, der schon lange Kunst sammelt, zeigt abstrakte Mixed-Media-Tafelbilder, die mehr Expertise suggerieren. Die Skulpturen aus Fußballschuhen der ehemaligen Starspielerin Josephine Henning, dreifache Champions-League-Gewinnerin, sehen tatsächlich sehr gelungen aus.
Auch dass Sänger Bryan Adams ein ernst zu nehmender Porträt-Fotograf ist, bezweifelt niemand, und Pete Dohertys Malereien haben genau den sparsamen Punk seiner Musik. Wer sich schließlich hinter dem Pseudonym Gedeon Schenkt verbirgt, soll man anhand seiner "bad paintings" selbst herausfinden in der Beuys-Stadt Düsseldorf. Ist jeder Mensch ein Künstler? Ja und nein. Kleiner Hinweis: Likes zählen nicht.
"Beyond Fame", NRW-Forum, Düsseldorf, bis 21. Januar 2024
Magdalena Abakanowicz in Lausanne
Die ökonomischen Bedingungen im kommunistisch regierten Polen waren schwierig. Magdalena Abakanowicz (1930-2017) fand in Textilien damals ein billiges Material, um skulptural arbeiten zu können. In den 1980er-Jahren erlangte sie mit plastischen Installationen internationale Anerkennung, doch schon zwischen 1962 und 1979 war Abakanowicz eine Hauptfigur der Biennalen der Tapisserie in Lausanne. Dort, im Musée cantonal des Beaux-Arts (MCBA), ist nun eine Werkschau zu sehen, in deren Mittelpunkt frühe Webarbeiten, Textilreliefs, Knüpfungen und Zeichnungen stehen.
Magdalena Abakanowicz: "Textile Territorien", MCBA Lausanne, bis 24. September
Streetart-Festival Ibug in Leipzig
Das Streetart-Festival Ibug lädt erstmals in einen Lost Place in Leipzig ein. Im früheren Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) im Stadtteil Engelsdorf sind an drei Wochenenden Bilder, Installationen und Skulpturen zu sehen. Sie wurden von 80 Künstlerinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland direkt in den verlassenen Hallen geschaffen. Geöffnet ist an diesem Wochenende sowie vom 25. bis 27. August und 1. bis 3. September.
Die Veranstalter rechnen nach eigenen Angaben mit rund 15.000 Besucherinnen und Besuchern. Zum vorigen Festival in Flöha waren rund 10.000 Menschen gekommen. Ibug steht für Industriebrachenumgestaltung.
Das Festival wird bereits zum 18. Mal veranstaltet, jeweils an wechselnden Orten. Eine der Ausgangsideen war es, Kunst in die Provinz zu bringen. Nun wird das Streetart-Festival erstmals in der Großstadt Leipzig veranstaltet. Es gehe auch immer darum, eine geeignete Industriebrache für das Festival zu finden, hatten die Organisatoren erklärt. (dpa)
Streetart-Festival Ibug, Leipzig, 18. bis 20. August, 25. bis 27. August und 1. bis 3. September
Kunst-Festival "Begehungen" in Lichtenstein
Die Holzskulpturen wurden von Künstlern mit ihren Zähnen geschaffen: Figuren, die etwa an Vögel erinnern oder an einen weiblichen Torso. Dabei waren jedoch nicht Menschen am Werk, sondern Biber. "Wir verstehen uns als Kuratoren des Bibers", erklären Anne Peschken und Marek Pisarsky, die diese Arbeiten beim Festival "Begehungen" präsentieren. Neben dieser "Biber-Kunst" wurden aus fast 700 Bewerbungen 24 weitere Arbeiten ausgesucht, die im Schlosspalais Lichtenstein (Landkreis Zwickau) gezeigt werden.
Zu sehen ist auch die Arbeit "Nord Stream 3" von Benedikt Hartl, in der er sich Gedanken zu einer Nutzung der zerstörten Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 macht. Hartl entwirft die Vision eines Begegnungsortes, einer Art Wasserschloss als Zentrum für Völkerverständigung. Derweil hat Torsten Wagner Hunderte Videokassetten in Regalen drapiert und lässt so eine Videothek aus den 1980er Jahren auferstehen. Als "menschlicher Algorithmus" will er die Besucher bei der Auswahl beraten; die Filme können sie dann über einen alten Röhrenfernseher anschauen. Wagner will mit seinem Projekt Besucher anregen, ihren Medienkonsum zu reflektieren und versteht seine Videothek als Begegnungsraum im Kontrast zum heutigen Streamen von Filmen daheim.
Das Festival präsentiert alljährlich zeitgenössische Kunst an wechselnden Orten. Dabei hat es schon ein ehemaliges Gefängnis, verlassene Industriegebäude und ein früheres Schwimmbad in Galerien auf Zeit verwandelt. Nun haben die Festivalmacher das Schlosspalais in Lichtenstein mit seiner wechselvollen Geschichte - es diente schon als Amtsgebäude, Gericht, Unterkunft für Geflüchtete und Museum - als Ausstellungsort ausgewählt. Unter dem Titel "et cetera pp" widmen sie sich auch der Sammelleidenschaft. Dazu werden Sammlungen von Menschen aus der Region in die Schau integriert - etwa Kollektionen von Kaffeekannen, Stundenplänen oder Reißzwecken.
Das Festival will ein niedrigschwelliges Angebot für Kunstgenuss sein und erhebt daher für die Ausstellung und das Rahmenprogramm keinen Eintritt. Allerdings wird um Spenden gebeten. Das Budget von rund 200 000 Euro speist sich den Angaben zufolge darüber hinaus aus Fördermitteln und Sponsorengeldern. Die Organisatoren hoffen bis zum 27. August auf ähnlich viele Besucher wie im Vorjahr - damals waren es rund 12 000.
Die "Begehungen" sind Teil des Programms für Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Dabei soll am letzten Festivalwochenende (26. August) auch eine weitere Skulptur für den "Purple Path" eingeweiht werden - ein Kunst- und Skulpturenpfad, der Chemnitz mit dem Umland verbindet. Für Lichtenstein schafft der türkischstämmige Künstler Iskender Yediler auf dem Areal einer alten Textilfabrik eine Arbeit, die den Angaben nach Bezug auf historische Industrieanlagen nimmt. So soll ein neuer Erinnerungsort entstehen, dessen Geschichte nicht nur visuell, sondern auch mit Hilfe von Soundcollagen erzählt wird. (dpa)
Kunstfestival "Begehungen" im Schlosspalais Lichtenstein, bis 26. August
Grace Weaver in Nürnberg
Jung, dynamisch und dauerbeschäftigt sind die Protagonistinnen der 1989 in Vermont geborenen Grace Weaver. In satten Farben und mit schwungvollen Linien malt und zeichnet die in New York lebende Künstlerin Alltagsszenen eines weiblichen, urbanen Kosmos. Weaver baut ihre Werke flächig auf, sie zeigt kubische Körper, die Einflüsse von Fernand Léger und Pablo Picasso verraten. In der Soloschau im Neuen Museum Nürnberg sind neben zahlreichen Ölgemälden auch Aquarelle, Gouachen und Kohlezeichnungen zu sehen.
"Grace Weaver", Neues Museum Nürnberg, bis 16. Juni 2024
Bauhaus-Wochen in Weimar
Genau 100 Jahre nach der ersten Bauhaus-Ausstellung steht Weimar ab Dienstag für knapp vier Wochen im Zeichen der Kunst- und Designschule. Gefeiert werden die "Bauhaus-Wochen" an Orten der Universität und im Stadtraum unter anderem mit einer Parade, Workshops und Kulturveranstaltungen. Die Feierlichkeiten gehen bis zum 10. September.
Unter anderem sind im Schiller-Museum Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern der Fakultät Kunst und Gestaltung der Bauhaus-Uni für den Wettbewerb "Born to be bauhaus" zu sehen. Dazu sind auch Gespräche und Workshops geplant. Auch das Direktorenzimmer in der Uni soll besichtigt werden können. Walter Gropius, Gründer des Staatlichen Bauhauses, hatte das Zimmer zur Ausstellung 1923 entworfen. Zum Jubiläum stellen Studierende auch neue Ideen für das Interieur vor.
In Zusammenarbeit mit dem Kunstfest Weimar steht auch ein Workshop mit dem Regisseur Robert Wilson zum Thema "Bauhaus Psychologie" auf dem Programm. Ein Hörspiel von Studierenden beschäftigt sich mit den Montagsdemonstrationen in Weimar.
Gemeinsam mit dem Kunstfest und der Klassik Stiftung Weimar lädt die Uni am 31.August zur Bauhaus-Parade ein, die vom Campus durch den Park an der Ilm zum Haus am Horn ziehen soll. Dabei sind Stationen mit Yoga-Einheiten und künstlerischen Installationen geplant. Die Fassade des Versuchshauses am Horn soll mit einer speziellen Videoinstallation bespielt werden.
Vom 15. August bis zum 30. September 1923 zeigten die Bauhäusler in einer ersten großen Ausstellung die Ergebnisse ihres Schaffens seit der Gründung der Kunst- und Designschule 1919 in Weimar. Teil der Ausstellung war auch das Musterhaus Am Horn. Das nach den Idealvorstellungen der Bauhäusler entworfene und eingerichtete Einfamilienhaus gehört heute zur Klassik Stiftung Weimar und kann besichtigt werden. (dpa)
Bauhaus-Wochen in Weimar, bis 10. September