An elf Standorten in New York, London, Los Angeles, Paris, Rom, Athen, Genf und Hongkong zeigte die amerikanische Gagosian Gallery 2012 hunderte "Spot Paintings" von Damien Hirst - und rief zu einem Wettbewerb auf: Wer alle Zweigstellen besucht, erhält einen signierten Druck des britischen Künstlers. Der 37-jährige Kölner Ingenieur Torsten Bergmann ist einer von über 120 Absolventen der "Spot Challenge"
Herr Bergmann, herzlichen Glückwunsch zur Bewältigung der "Spot Challenge"! Aber mal ehrlich, werden gepunktete Gemälde in elf Galerie-Filialen nicht irgendwann langweilig?
Naja, zum einen unterscheiden sich die Filialen schon mal voneinander, zum anderen die Größen der Leinwände. Die kleineren guckt man sich dann auch nicht mehr so genau an. Aber die Großformate wirken immer wieder, gerade in einer Galerie mit weißen Wänden und edlen Böden. Und dann verwendet Damien Hirst ja keine Farben doppelt. Falls ich ihn mal treffen sollte, würde ich ihn sehr gerne mal fragen, ob er sich über die Verwendung der Farben Gedanken macht, darüber, welche Farben welche Effekte, Stimmungen, Gemütszustände erzeugen. Ich finde, dass die Bilder eine positive Ausstrahlung haben.
Dass die Bilder von Assistenten gemalt werden, das wissen Sie?
Das stört mich nicht. Hirst gibt ja schon noch Anweisungen. Ich schaue mir ein Bild an, und wenn es etwas bei mir erzeugt, lasse ich es auch gerne auf mich wirken. Mein Favorit ist das quadratische Format von 152,40 Zentimeter Kantenlänge, das sind Leinwände mit neun Punkten. Ich mag die Töne, die nicht zu grell sind. Diese Bilder hatten eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich. Wenn man den Blick auf einen Punkt konzentriert, kann man interessante Farbwirkung erzeugen. Ich weiß nicht, ob ich da zu viel reinlege, aber ich denke mal, Hirst hat sich etwas dabei gedacht.
Was wussten Sie vor Ihrer Reise über Hirst?
Dass er ein Enfant terrible ist, extrem lebt, dass er der Künstler mit dem Totenkopf und den Schmetterlingen ist. Kunst ist seit zwei, drei Jahren ein Hobby von mir, und da ist man schon mal über den Namen gestolpert. Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen, dass ich das erste Mal etwas von Hirst gesehen habe, als wir im Guggenheim-Museum in Bilbao waren. Richtig beschäftigt habe ich mich erst mit ihm auf der Tour.
Wenn Sie kein Hardcore-Fan waren, was war denn der Anreiz für die sicher auch anstrengende Reise?
Das komplette Paket: interessante Städte sehen, mit Freunden an einem einzigartigen Event teilnehmen, die Auseinandersetzung mit Kunst. Und dazu gibt es am Ende als Prämie einen kleinen Druck, der eventuell die Reisekosten rechtfertigt.
Ach, Sie denken daran, den Druck zu verkaufen?
Am Anfang ja. Aber was wir dann auf der Tour alles gemeistert und erlebt haben – da ist der Druck eine schöne Erinnerung. Deshalb werde ich den wohl nicht weggeben. Wie das Kunstwerk aussehen wird, wissen wir übrigens noch gar nicht. Wir haben schon viel drüber gerätselt, was sich der Herr Hirst einfallen lassen wird: Ob er für jeden Absolventen der Tour etwas Individuelles macht – wovon alle stark ausgehen – oder eben nicht. Hirst wollte sicherlich, dass es ein Geheimnis bleibt.
Sie sind zu dritt gereist. Wie ist die Idee entstanden?
Gemeinsam mit einem Freund habe ich mir in Paris die Hirst-Ausstellung in der dortigen Gagosian-Dependance angeschaut. Der Freund holte sich zum Andenken eine Karte, auf der jeder Besuch in einer Gagosian-Filiale mit einem Stempel quittiert werden kann. Eine Mitarbeiterin hat uns dann die "Spot Challenge" erklärt. Damals hatte gerade der erste Absolvent die komplette Tour durchlaufen, ein Russe, der von Hirst am Ende persönlich begrüßt wurde. Wir haben den Rest des Tages rumgescherzt, wie wir diese Tour machen könnten, aber innerlich haben wir uns mit dem Gedanken angefreundet, dass dieser Event etwas Brillantes ist. Zurück in Köln weihten wir den dritten Freund ein, ich habe mit meinem Chef gesprochen, ob ich Urlaub nehmen kann. Dann haben wir Flüge gecheckt. Da gab es die größte Fahrt von Frankfurt über London nach Los Angeles, zurück nach London und von dort nach Hongkong und zurück. Das sollte 1020 Euro kosten. Das kam mir im Verhältnis nicht so teuer vor. Da habe ich gedacht: „Okay, ich bin dabei!“ Genf habe ich später mit einer Dienstfahrt verbunden, in Paris sind wir ja schon gewesen, London haben wir auf dem Rückweg absolviert, und dann hatten wir noch ein Wochenende in Rom und Athen. Die Reise nach New York war schon lange vorher geplant, da besaßen wir schon Tickets für 450 Euro.
Was haben Übernachtungen und Flüge insgesamt gekostet?
2500 bis 3000 Euro. Wobei man nicht eine Woche in New York bleiben müsste. Aber diese Reise hatten wir ja schon vorher gebucht. In L.A. haben wir zwei Nächte geschlafen, eine in Hongkong. Bei diesem ersten Abschnitt der Reise haben wir durch die Zeitverschiebung in sechs Tagen nur drei Mal übernachtet. Wir hatten Glück, dass wir von Los Angeles direkt nach Hongkong umgebucht wurden und nicht über London fliegen mussten. Das war einer der bedeutendsten Momente der Tour. Anfang März waren wir dann an einem Wochenende in Rom und Athen. Aber wir haben Leute getroffen, die haben die komplette Tour in acht, neun Tagen gemacht. Wie das geht, wenn man an Flugzeiten gebunden ist, kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht verfügten die ja über Privatjets.
Sind Sie in jeder Stadt direkt zur Galerie gefahren?
Das war immer das Erste. Wir haben uns die Flüge nach den Öffnungszeiten der Galerien gelegt. Danach haben wir uns die Stadt angesehen. Jetzt können wir uns überlegen, welche Stadt wir dann noch einmal länger besichtigen wollen.
Hirst führt an seinen "Spot Paintings" etwas vor, das er "konzeptuelle Malerei" nennt: Die Idee ist wichtiger als das einzelne Werk. Analog dazu könnte man Ihre Tour als "konzeptuelles Reisen" verstehen.
Da gebe ich Ihnen Recht. Angenommen, die Galerien wären in einer Stadt gewesen, dann wäre man nach einer Filiale sicher durch gewesen. Hirst hat auf jeden Fall einen Anreiz geschaffen. Ich wünsche mir, dass die Leuten, die diese Challenge bestanden haben, sich vernetzen und sich über ihre Erfahrungen austauschen.
Und, was war Ihr schönstes Erlebnis?
Ein Strandspaziergang in Santa Monica vielleicht. Aber in jeder Stadt gab es schöne Momente, und je länger die Tour ging, je besser haben wir uns auch als Team verstanden. Die schönste der Filialen war in Rom mit ihrem ovalen Ausstellungsraum.
In Athen haben Sie Ihre Tour dann beendet.
Wie immer wurde der Personalausweis kopiert und auf die Karte ein Stempel gedrückt. Eine Mitarbeiterin hat mich vor einem Hirst-Motiv fotografiert. Wenn Sie auf Facebook die Gagosian-Seite anschauen, dann sehen Sie, dass alle Teilnehmer ihre vollgestempelte Karte für ein Abschlussfoto in die Kamera halten. Dann füllt man noch ein Dokument aus, fertig.
Können Sie solche Reisen empfehlen?
Ja, vorausgesetzt man interessiert sich für Abenteuer. Denn egal, wie genau man die Reise plant, Unvorhergesehenes kommt immer. Das Künstlerische hat die Erlebnisse noch verstärkt. Ich würde so etwas auch wieder machen, wenn es um einen Künstler geht, der mich interessiert. Bei Hirst wollte ich wissen: Was verbirgt sich dahinter?
Vielleicht ist es nur ein Poser, der aus Kunst ein Spektakel macht …
Ob das ein Spektakel ist? Auf jeden Fall ist es Unterhaltung, und warum nicht? Vielleicht ist es Hirst mit der "Spot Challenge" gelungen, den Zeitgeist einzufangen. Vielleicht wird man das irgendwann mal sagen: Das war 2012, eine Ausstellung, die die Menschen bewegt hat zu reisen. Und ich finde es eine großzügige Geste, dass er die Drucke als Anerkennung für die Anstrengungen verschenkt. Ich bin darauf gespannt.
Die Ausstellung "The Complete Spot Paintings 1986–2011" ist am 17. März 2012 in der Genfer Dependance der Gagosian-Galerie zu Ende gegangen