Berlin

Widerstand gegen Antisemitismus-Klausel bei Kulturförderung

Joe Chialo (CDU), Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, bei einer Solidaritätsaktion der Jüdischen Gemeinde zu Berlin für die Hamas-Geiseln im Oktober 2023
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Joe Chialo (CDU), Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, bei einer Solidaritätsaktion der Jüdischen Gemeinde zu Berlin für die Hamas-Geiseln im Oktober 2023

Der Berliner Senat will Kulturförderung künftig an ein Bekenntnis gegen Antisemitismus nach der umstrittenen IHRA-Definition knüpfen. Dagegen protestieren Künstlerinnen und Künstler nun in einem offenen Brief

Die vom Berliner Kultursenator Joe Chialo am gestrigen Donnerstag angekündigte Einführung einer sogenannten "Antidiskriminierungsklausel" stößt auf Widerstand in der Kunstwelt. Der Erlass sieht vor, Zuwendungen generell mit einer Passage gegen Diskriminierung und Antisemitismus zu versehen. Die Regelung gilt ab sofort und für sämtliche Kultureinrichtungen des Landes Berlin.

In einem Offenen Brief mit dem Titel "Für die Wahrung von Kunst- und Meinungsfreiheit" protestieren Hunderte Kulturschaffende gegen die Regelung. Darin heißt es: "Wer die Antisemitismus-Klausel in der vorliegenden Form unterschreibt, bekennt sich zu einer 'vielfältigen Gesellschaft' und gegen 'jede Form von Antisemitismus gemäß der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance und ihrer Erweiterung durch die Bundesregierung.' Diese Entscheidung der Senatskulturverwaltung erkennt nicht an, dass es eine kontroverse Debatte um die Antisemitismus-Definition der IHRA, sowie eine von internationalen Wissenschaftler*innen erarbeitete Alternativ-Definition, die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus, gibt. Letztere wurde explizit in der Absicht verfasst, einer missbräuchlichen politischen Instrumentalisierung von Antisemitismus-Zuschreibungen entgegenzutreten und reagiert auf Unklarheiten innerhalb der IHRA-Definition."

Der Entzug finanzieller Förderung und öffentlicher Plattformen werde aktuell als Druckmittel eingesetzt, um kritische Positionen zur Politik der israelischen Regierung und zum Kriegsgeschehen in Gaza aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. "Internationale und insbesondere palästinensische Künstler*innen sind von der Klausel besonders betroffen. Bereits jetzt berichten viele, dass sie sich aufgrund ethnischer oder religiöser Zuschreibungen unter Generalverdacht gestellt fühlen."

Die Unterzeichnenden monieren, dass die Maßnahme ohne eine vorherige offene Debatte oder Konsultation oder eine andere transparente Entscheidungsfindung durchgeführt worden sei und stellen die rechtliche Verbindlichkeit der Klausel in Frage: "Es ist nicht Aufgabe der Kulturverwaltung, die gesellschaftlichen Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit vorzugeben, sofern sich die Meinungsäußerungen im legalen Rahmen bewegen." Weiter heißt es in dem Brief: "Wir als Künstlerinnen verwehren uns gegen politische Eingriffe in die Funktion, Methoden und Freiheit der Kulturproduktion und fordern die Senatskulturverwaltung auf, die Antisemitismus-Klausel umgehend zurückzunehmen!"