Es passiert einem nicht oft, dabei ist es so schön: wenn man sich in einen Maler verliebt. Also in seine Bilder. Oder in die einer Malerin natürlich. Wenn man das Gefühl hat, man kann in ihre Farbwelt hineinklettern wie in gute Gespräche. Wenn man sie beim Betrachten lachen hört oder seufzen. Leonard Rickhard ist so ein Maler.
Beziehungsweise: Er ist so ein Maler gewesen, muss man schreiben. Er starb im Januar diesen Jahres, nur wenige Wochen, bevor das Osloer Astrup Fearnley Museum seine Bilder aufhängte. Eine große Ausstellung. Es war alles vorbereitet. Aus 900 Bildern ausgesucht. Neue gemalt. Riesige, für die hohen, hohen Decken des Renzo-Piano-Baus mit Blick auf den Fjord, der Licht hineinlässt, wie er will. Signiert hat er sie auch. Darunter notiert, welcher Mensch ihm den Rahmen baute. Und dann wurde der 1945 in Norwegen geborene Maler krank und starb kurz vor der Eröffnung.
So erzählt es Solveig Øvstebø, Executive Director und Chef-Kuratorin des Astrup Fearnley Museet, die den Maler vor Jahren kennenlernte, als sie 2006 mit ihm eine Ausstellung in Bergen organisierte. Sie versuchte auch, mit ihm eine Schau in den USA zu realisieren, in Chicago, aber das wollte Rickhard nicht. So weit weg. Seine Bilder würden entgleiten. Er wollte lieber jeden Morgen in seinem Atelier sitzen und den Tag mit einer Zeichnung beginnen. So kommt es, dass es außerhalb Norwegens nicht allzu viele Sammler gibt, die sich seine wirklich sehr speziellen Arbeiten unter den Nagel gerissen haben. Aber natürlich hängt er im Osloer Nationalmuseum gleich um die Ecke.
Eine nerdige Genauigkeit
Wenn man nur mit einem Auge darüberhuscht, dann erinnern seine Bilder schnell an Poster oder Geschenkpapier aus diesen schrecklichen Einrichtungshaus-Ketten, die immer aus Skandinavien zu kommen scheinen. Die Farben pastellig, die Formen illustrativ. Aber wenn man vor ihnen steht, wird plötzlich eine Tiefe erlebbar, eine nerdige Genauigkeit und eine verletzliche Motivauswahl. Und von Raum zu Raum wird sein Werk konsistenter. Nur einmal wechselt man zu seinen Anfängen, wo er scheinbar mit Kubismus und Impressionismus geliebäugelt hat.
Rickhard studierte in Norwegen Kunst, hat in den 1970ern angefangen mit dem Malen und über all die Zeit verschiedene Motive immer wieder und wieder bearbeitet. Seine Bilder sind zirkulär, nicht linear entstanden. Manche sind sehr groß, manche haben schwere, große Holzrahmen. Einer ist rot.
Wir sehen neugierige, beobachtende Blicke durch Türen in Häuser. Das Licht darin. Wir selbst draußen. Oder verschiedene Vogel-Kabinette, also Schränke, in denen ausgestopfte Tiere ausgestellt sind, die Schnäbel alle in eine Richtung. Und da sind die Modell-Tische vor monochromem Hintergrund, auf denen Nachbauten industrieller Infrastrukturen zu sehen sind. Holzverarbeitende Betriebe zum Beispiel. Irgendwas mit Elektrizität. Immer wieder malt er Landarbeiter, Landschaften mit Strommasten, zersägte Baumstämme im Wald. Und immer wieder tauchen Landvermesser auf.
Bewegt durch Bewegungslosigkeit
Die industrielle Nutzung natürlicher Ressourcen, neue Funktionen alter Kriegsbauten, sowieso die Nachkriegszeit sind wiederkehrende Themen in Rickhards Werken. Seine Menschen haben keine Gefühle in den Gesichtern, schauen zur Seite, sind disfigurativ, seine Bilder bewegen dennoch oder gerade deswegen. Man fühlt die Ratlosigkeit. Oder das stumme Dröhnen nach dem Krieg. Menschen erledigen merkwürdige Tätigkeiten oder stehen irgendwo ganz klein und blicken auf tosendes Gewässer. Die ganze Merkwürdigkeit des Menschen ist in Rickhards Bildern zu erkennen.
In vielen Arbeiten nummeriert der Maler etwas durch. Die Vögel zum Beispiel. Landwirtschaftliche Werkzeuge. Ordnung schaffen, wo keine ist, Struktur aufbauen, um Bedeutung zu finden. Etwas Kartografieren, für das es keine Worte gibt. Manchmal haben seine Malereine etwas von technischen Zeichnungen. Manchmal stimmen Perspektiven nicht. Aber es sind sehr konsistente Werke, die man unter 1000 Bildern klar zuordnen könnte. Wiederkehrend sind Motive wie die Zugschiene, die ins Nichts führt, Kabelverwirrungen oder ein undefinierter Stoffhaufen, der in vielen Bildern liegt, so als wäre gerade etwas abgedeckt worden. Ganz genau, ganz kleinteilig malt er die Tapeten an den Wänden. Den "Kruscht" am Boden. Die Familienfotos an den Wänden, deren Gesichter er ganz anders gestaltet als den Rest der Fläche. Weniger leer, aber verschwommener.
Eine Zeit lang malte Rickhard immer wieder einen Modellflugzeug-Bastler. Solveig Øvstebø erzählt, dass sie ihm vieles über seine Arbeiten mühsam entlocken musste. Das Bauen von Modellen habe er als Kind oft dazu genutzt, still am Tisch zu sitzen, oder darunter, und den Erwachsenen dabei zuzuhören, wie sie schreckliche Geschichten vom Krieg erzählten. Leonard Rickhards Bilder behandeln dagegen den grundsätzlichen Zweifel am Menschen. Aber oft hört man dabei das liebevolle Lachen von einem, der noch Hoffnung hat.