Bilanz einer Ära

Warum war die Kunst unter Donald Trump so hilflos?

Donald Trump hinterlässt als US-Präsident nicht nur großen politischen Schaden, sondern auch eine Menge gut gemeinter, aber doch missglückter Protest-Kunst. Eine Bilanz

Das Trump-Baby ist nun also museumsreif. Kurz vor der Amtseinführung des designierten neuen US-Präsidenten Joe Biden hat das Museum of London gemeldet, einen überdimensionalen Luftballon in der ungefähren Form von dessen Vorgänger Donald Trump in seine Sammlung aufzunehmen. Das orangefarbene Monsterkind mit Brüllfratze und Smartphone im Patschehändchen ist eine Kreation des Künstlers und Aktivisten Leo Murray und kam zum ersten Mal 2018 bei Anti-Trump-Demonstrationen in London zum Einsatz. Inzwischen gibt es mehrere Versionen der präsidialen Luftnummer, und laut der Direktorin des Museum of London sind diese "eine wichtige Fortschreibung der reichen Protest-Geschichte" der britischen Hauptstadt.

Aber wollen wir uns tatsächlich so an den künstlerischen Widerstand gegen einen autokratisch agierenden Herrscher erinnern, der seine Niederlage leugnet und seine teils rechtsextremen Anhänger dazu anstachelt, das Kapitol zu stürmen? Trotz aller infantilen Trotzanfälle im Weißen Haus wirkt die Darstellung Trumps als Windelhybrid zwischen Hulk und Tweety (heute noch mehr als 2018) nicht nur ziemlich unkreativ und geschmacklos, sondern auch naiv und verharmlosend. Trump mag als Präsident Züge eines verwöhnten Kleinkinds getragen haben. Das Problem ist jedoch: Er ist ein Baby mit Macht. Und ein Herrscher, dem die Kunstwelt in den vergangenen vier Jahren oft ziemlich hilflos gegenüberstand. 

Sollte Gegnerschaft nicht großartig für die Künste sein?

Zu Beginn von Donald Trumps Amtszeit setzte sich nach dem ersten Schock in der überwiegend linksgeneigten Kultur-Bubble die Hoffnung durch, dass diese Präsidentschaft die Szene politisieren und großartige Kunst hervorbringen würde. "Hey, sollte Gegnerschaft nicht großartig für die Künste sein?", fragt Autorin Judy Berman im "Time"-Magazin. Der Kunstkritiker Jerry Saltz vom "New York"-Magazin prophezeite, dass Künstler und Künstlerinnen das tun würden, was sie am besten können: an die Arbeit gehen. Und Timo Feldhaus schrieb 2017 in der Märzausgabe von Monopol: "In die Blase ragt plötzlich doch Welt hinein, Kunstmenschen gehen auf die Straße, gemeinsam mit allen anderen. Selbst die narzisstischsten, diabolischsten Selbstdarsteller des Betriebs stehen auf Protestmärschen, brüllen und filmen. Es macht Mut. Und vor allem: Es geht nicht mehr weg. Es scheint dieser Tage, als sei der Kampf angenommen und #resist unser Zeichen."

Das stimmte natürlich und stimmt immer noch. Das politische Engagement der Kulturszene hat sich als ziemlich ausdauernd erwiesen, und auf jede Grenzüberschreitung Donald Trumps folgten zuverlässig der Aufschrei und der Widerspruch - auch von Künstlerinnen und Künstlern sowie Museumsleuten. Doch die Einigkeit in der sonst so heterogenen Kulturszene durch den gemeinsamen Feind hat nicht unbedingt zur Produktion großartiger Kunstwerke geführt - vielmehr lassen sich die Fronten zwischen Trump-Verehrern und -verächtern auch an Bildern festmachen.

Das erste Opfer war die Nuanciertheit

Republikanisch gesinnte Maler wie Andy Thomas, Jon McNaughton und Michael Israel stellten Trump einerseits ganz in dessen Sinne als Heldenfigur in patriotischen Historienschinken dar. Eine kitschtropfende Inszenierung, über die man sich im geschmackssicheren liberalen Lager gern lustig machte. Aber auch in den hipperen Gefilden der Kunstwelt fand man kaum visuelle Wege, um Donald Trump beizukommen, die nicht auf Groteskes und körperliche Deformierung setzten. In mehreren Städten wurden vom Kollektiv Indecline lebensgroße Statuen des Präsidenten mit sehr kleinem Geschlechtsteil aufgestellt. Auch die Künstlerin Ilma Gore hatte Trump schon während seiner Kandidatur mit Mikro-Penis gemalt. Trumps Gesicht wurde von Künstlerinnen und Künstlern zerschnitten, digital verzerrt und zum Schmelzen gebracht. Keine Gruselfigur der Kulturgeschichte, von Dracula über den Horrorclown bis zum Satan persönlich, als die der Präsident nicht dargestellt wurde. Viele der Anti-Trump-Werke waren nicht weniger plump als der Populismus, den sie kritisieren sollten. "Eines der ersten Opfer der Trump-Präsidentschaft war die Nuanciertheit", heißt es im "Time"-Magazin.

Das Problem für die Kunst war die Unmöglichkeit, den König des Spektakels zu überbieten und mit der Schlagzahl der immer neuen Ungeheuerlichkeiten Schritt zu halten. Jede Parodie von Trump wirkt im Rückblick eher wie eine gemäßigte Version des realen Präsidenten als wie eine Übertreibung. Außerdem war die Vermischung von Fakt und Fiktion, eine ureigene Qualität der Kunst, plötzlich Regierungstaktik. "Er hat ihr ein Stück DNA entrissen", schrieb Timo Feldhaus 2017 mit Blick auf die Kunstszene. Der amerikanische Präsident erschaffe mit seinen PR-Strategen "neue, widersinnige, künstlerische Realitäten, deren Ziel es ist, die politischen Diskurse in einen Raum zwischen real und fake zu führen und sie dort nach den Regeln der Konzeptkunst aufzulösen."

Die Hoffnung zu Beginn von Trumps Amtszeit war, dass die Kunst sich die Deutungshoheit über diese Zwischenwelt, die in der Kultur faszinierend und in der Politik gefährlich ist, zurückholt. Doch im perpetuum mobile der öffentlichen Erregungsspirale und der Flut von Trump-Memes in den sozialen Medien schien es unmöglich, der Realität irgendwie voraus zu sein.

Die Kunstszene als korruptes Establishment

Trumps Verachtung für den klassischen Kunstbetrieb und dessen intellektuelle Aura war nie ein Geheimnis, und die finanziellen Kürzungen im Kultusektor sind ein schwerwiegendes Vermächtnis seiner Amtszeit. Mit seiner Haltung schaffte es Trump jedoch auch, den Kunstbetrieb in eine ungewohnte Rolle zu befördern. Kritische Künstlerinnen und Künstler, die sich gern als underdogs gegen die Staatsmacht sehen, wurden plötzlich von der Regierung als Teil eines korrupten urbanen Establishments dargestellt. Währenddessen inszenierte sich die Alt-Right als Punker der Gegenwart, und jeder Angriff aus der etablierten Kunstwelt konnte als verzweifelte Tat eines "failing artist" zu republikanischen Gunsten gewendet werden. "Wir" gegen "die" funktionierte in beide Richtungen.

Zu enthüllen gab es eigentlich auch nichts, denn die meisten Lügen und sexistischen und rassistischen Äußerungen wurden mit größter Selbstsicherheit öffentlich getätigt. Trump behielt mit seiner Aussage, dass er sich alles erlauben könne (Stichwort "Grab her by the pussy") überwiegend recht.

Das alles heißt natürlich nicht, dass die politische Positionierung der Kulturzene nicht wichtig und angemessen war. Und auch nicht, dass in den vergangenen vier Jahren keine großartige Kunst entstanden ist. Doch am Ende von Trumps Amtszeit zeigt sich, dass die Kultur dann am meisten nachhallt, wenn sie Themen behandelte, die tiefer gehen als der aktuelle Präsident. Trump ist weder der Ursprung von "Black Lives Matter", noch von white supremacy, Sexismus oder sozialer Ungleichheit. Künstler wie Arthur Jafa, dessen Werke oft als Anti-Trump-Statements bezeichnet wurden, haben wiederholt auf dieses Missverständnis hingewiesen. Wenn man dem 45. Präsident der USA etwas zugute halten will, dann vielleicht, dass er unter den Teppich gekehrte Brutalitäten unübersehbar machte - und auch Gesellschaften in anderen Ländern dazu brachte, sich an die eigene politische Nase zu fassen.

Ein großes "Ja, aber"

"2020 war eher ein Jahr für kreative Formen des Protests und für Aktivismus als für große Kunstwerke" schrieb Kate Brown im Dezember im Kritikerinnenrückblick für Monopol. Und vielleicht kann man diese Einschätzung auch auf vier Jahre Trump ausweiten, in denen politisches Engagement auf den Straßen und in anderer Form viele Menschen viel Kraft gekostet hat. Möglich, dass uns die besten Trump-Werke im weiteren Sinne noch bevorstehen, wenn die langfristigen Folgen seiner Amtszeit deutlicher werden; wenn man nicht mehr schnappatmend der kontinuierlichen Eskalation hinterherrennen muss, und wenn Kunst nicht mehr permanent unter dem öffentlichen Druck steht, sich zu tagesaktuellem Geschehen zu äußern. 

Hier nun also eine neue optimistische Prognose für die Kunst unter dem Demokraten Joe Biden, die in vier Jahren auf die Probe gestellt werden kann: An den Reaktionen aus der Kunstwelt nach der Wahl lässt sich schon jetzt mehr Ambivalenz herauslesen als es 2016 der Fall war. Viele sind erleichtert, dass Biden und Kamala Harris gewonnen haben, stehen den Neuen im Weißen Hauses aber durchaus kritisch gegenüber, da sie tiefliegende Probleme höchstwahrscheinlich nicht lösen werden.

Die Stimmung kurz vor der Amtseinführung fühlt sich nach einem großen "Ja, aber" an - und auch die große grundsätzliche Einigkeit gegen Trump dürfte wieder einer vielstimmigeren Politikauffassung in der Kulturszene weichen. So wie es jetzt aussieht, ist das keine schlechte Voraussetzung für mehr Nuanciertheit und Ambivalenz in der Kunst.