Das ikonische Bild "Sonnenblumen" (1888) von Vincent van Gogh wurde am 14. Oktober in London aus Protest gegen den politischen Umgang mit dem Klimawandel mit Tomatensuppe bespritzt. Jetzt haben Aktivisten der "Letzten Generation" im Potsdamer Museum Barberini wieder zugeschlagen - und das Gemälde "Getreideschober" (1890) von Claude Monet mit Kartoffelbrei beschmiert. Schnell wurden diese beiden Aktionen als kunstfeindlich, kontraproduktiv und dümmlich beschimpft. So schreibt Oliver Koerner von Gustorf in seiner Monopol-Kolumne: "Was so unerträglich ist, ist nicht der Kartoffelbrei auf dem 111 Millionen teuren Bild, nicht, dass die Aktion so wirr war und niemanden wirklich aktiviert oder inspiriert … Das Schlimme daran ist der Vorwurf der Dekadenz, der hier der Kunst generell entgegen geschleudert wird."
Wie bitte? Die beiden Gemälde von van Gogh und Monet sind Statthalter für "Kunst generell"? Sind es nicht vielmehr von den Aktivisten gezielt und klug ausgesuchte Exponate, die längst vor allem für eines stehen: Für von "Kunstfreunden" vergötterte Fetische, die als museale und unfassbare teure Exponate - nahezu jeder Artikel erwähnt den Wert - eher eine Rolle in der Kulturindustrie spielen als in einer tatsächlichen kulturellen Auseinandersetzung? Diese Kunstwerke werden angehimmelt und pflichtbewusst konsumiert – "Ich liebe Monet" bekennt von Gustorf prompt. Schließlich gehören sie ja zum allseits akzeptierten eurozentristischen Kunstkanon. Und da dem so ist, befeuern diese Kunstfetische, wir wissen es alle, nicht zuletzt den Kulturtourismus und die "Standortqualitäten" der Städte und Museen, in denen sie zu sehen sind.
Der hier nur kurz umrissene Funktionszusammenhang, in dem berühmte Gemälde längst verortet sind, ist der Grund, warum sie jetzt attackiert werden. Denn der Protest von Initiativen wie "Just Stop Oil" und "Letzte Generation" richtet sich eben nicht gegen ihre unbestreitbare ästhetische Qualität. Das zeigen die Klimaaktivisten mit ihren performativen Aktionen auch dadurch, dass sie nicht die Bilder an sich, ihre Leinwand und ihre Farben angreifen, sondern lediglich den Rahmen und das Sicherheitsglas, mit dem die Gemälde und ihr finanzieller Wert geschützt sind. Ihren allernächsten konkreten Kontext also.
Spielerischer Angriff auf kapitalistische Logik
Entscheidend ist, dass dieser von den Klimaaktivisten kritisierte Funktionszusammenhang der kapitalistischen Logik präzise entspricht. Vermeintlich "zeitlose Meisterwerke" garantieren, nicht zuletzt dank ihrer Objekthaftigkeit und Warenförmigkeit, eine dauerhafte, wertschöpfende Präsenz. Und somit ist auch ihre Gewinn generierende Präsentation inklusive einer letztlich passiven Rezeption möglichst vieler Konsumenten gesichert. Genau deswegen vermeidet politisch-partizipative Projektkunst, wie wir sie gerade auf der Documenta Fifteen erlebt haben, so weit wie möglich den Objektcharakter.
Dem mit Essen schmeißenden, also gleichsam verschwenderischen Protest gegen eine (luxus)warenförmige Auffassung von Kultur gelingt also zumindest zweierlei: Zum Einen greift er kapitalistische Logiken, die bekanntlich eine wesentliche Ursache der Klimakrise sind, so spielerisch wie theatralisch an. Zum anderen treffen diese Anschläge spektakulär ins eurozentristische Herz kultureller Identität und schaffen dadurch Aufmerksamkeit für das Anliegen der Bilderrahmenstürmer: den menschengemachten Klimawandel. Was daran "narzisstisch und selbstgerecht" ist, wird wohl das Geheimnis der empörten Kritikerinnen und Kritiker bleiben.