Larry Sultan (1946 bis 2009) gehört zu den einflussreichsten US-amerikanischen Fotografen und Konzeptkünstlern und hat mit "Evidence" und "Pictures from Home" legendäre Bücher veröffentlicht. Nun ist posthum ein neuer Band erschienen, das gegensätzlicher kaum sein könnte: "Swimmers" zeigt Unterwasserfotos von Schwimmschülern
Egal ob Schriftsteller, Schauspieler, Maler, Musiker oder Fotografen – wer ein Profi auf seinem Gebiet ist, gelangt irgendwann fast immer an einen Punkt, an dem er die Unbefangenheit der frühen Jahre vermisst, wo es um das Sehen, Fühlen und Erleben und weniger um Technik, Ausdruck und das dahinter stehende Konzept geht. Wie der Sänger, der auch mal schief singen möchte – einfach nur, weil es Spaß macht.
Auch Larry Sultan ist in den 1970er-Jahren an einen solchen Punkt angelangt. Nach seinen beiden großen Projekten "Billboards" und "Evidence", die er beide zusammen mit Mike Mandel sehr erfolgreich realisiert hat, wollte er etwas völlig anderes machen, "etwas Körperliches und in gewisser Weise etwas Unüberlegtes. Ich nahm meine Kamera und ging in ein paar Pools unter Wasser. Und machte Bilder."
Zwischen 1978 und 1982 fotografierte Sultan so in San Francisco Menschen, die in öffentlichen Schwimmbädern schwimmen lernten. Es ist eine alltägliche Situation und es sind auch alltägliche Fotos, die Sultan von dort mitgemacht hat. Und dennoch begeistern sie. Vielleicht gerade weil sie so unbefangen, instinktiv und verspielt, aber auch ein wenig verträumt und surreal wirken. Denn so körperlich, spielerisch und experimentell wie Sultan mit der Kamera umgeht, so körperlich, spielerisch und experimentell ist auch das, was seine schwimmenden, strampelnden und treibenden Protagonisten in den Bildern tun. Es ist ein Spiel mit Farben und sich auflösenden Formen, mit dem Verlust von Schwerkraft und Perspektive.
Sultan brauchte den Kontrollverlust
Deshalb ist es auch nur auf den ersten Blick bemerkenswert, dass Sultan in ein Schwimmbad gegangen ist, um unbefangen und unvoreingenommen zu fotografieren. Bäume, Vögel oder Parkplätze hätten als Motive jedenfalls nicht funktioniert – Sultan brauchte den Kontrollverlust und das Neue. Dass er sich also Menschen gesucht hat, die ebenfalls Kontrollverlusten ausgesetzt waren, weil sie erst mühsam und meist im Erwachsenenalter das Schwimmen erlernen wollten, ist sicherlich kein Zufall. Insofern sehen wir nur vordergründig Menschen, die das Schwimmen lernen. Eigentlich sehen wir einen Künstler, der das Sehen neu erlernt.
So ganz konnte Sultan das konzeptionelle Denken doch nicht weglassen. Nicht einmal, als er es wollte.