1. Die Kunst von Evelyn Loschy bei der Selbstzerstörung beobachten
Immer wieder streichelt die Hand das Gesicht aus Gips: eine scheinbar liebevolle Bewegung, die doch auf die Dauer zerstörerisch wirkt. Jedes Mal reibt sie etwas Gips ab. Irgendwann wird die junge Österreicherin Evelyn Loschy ihrer "untitled [kinetic sculpture #4]" ein neues Gesicht anbauen müssen. Zwei ihrer kinetischen Skulpturen, eine Fotoserie und einen Stop-Motion-Film zeigt die Wiener Galerie Michaela Stock in der "Zone 1" der Messe, wo nur Solo-Präsentationen österreichischer Künstler unter 40 Jahre zu sehen sind. Eine der spannendsten Sektionen der Messe!
2. Die Kunstszene Ex-Jugoslawiens und Albaniens kennenlernen
Die Wiener Messe setzt einen Schwerpunkt auf Osteuropa. Dieses Jahr haben die Organisatoren alternative Kunsträume aus Albanien und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien eingeladen. Kuratorin Adela Demetja aus dem Team des "Tirana Art Lab" hat eine großformatige Fotoarbeit der 1944 geborenen Albanerin Lumturi Blloshmi mitgebracht: Frösche, die in einer Pfanne brutzeln, aber eher nach Kamasutra-Anleitungen aussehen. Humorvoll und persönlich – so zeigt sich die Kunst vom Balkan hier.
3. Geheimnisvolle Objekte aus Georgien in Wachsblöcken erahnen
Die Berliner Galerie Daniel Marzona ist zum ersten Mal auf der Viennacontemporary dabei – mit Arbeiten des jungen Georgiers Vajiko Chachkhiani. 1985 in Tiflis geboren, hat er in seiner Heimat ein Mathematik-Studium abgebrochen, um später an der Universität der Künste in Berlin zu studieren. Auf Reisen zurück nach Georgien erwirbt er besondere Gegenstände von Einheimischen – zum Beispiel ein Messer, mit dem ein Mord verübt wurde, gegen zwei Küsse auf die Wange. Für die Skulpturenreihe "The Other Life" hat er diese Objekte in Wachsblöcke eingegossen. Den Käufern seiner Werke stellt Vajiko Chachkhiani es frei, ob sie die Gegenstände dort belassen oder sie aus dem Wachs befreien wollen.
4. Kunst mit politischen Statements entdecken
Auf vielen Kunstmessen fehlen Werke mit politischer Aussage, weil Galerien befürchten, dass sich solche Arbeiten schlechter verkaufen. Anders auf der viennacontemporary. Die Galerie "Propaganda" aus Warschau hat beispielsweise Paweł Kowalewskis "Europeans only" mitgebracht. Die Leuchtkasten-Fotografie zeigt ein Schild, das im Apartheid-Museum in Johannesburg hängt. "Europeans only" steht darauf. Das Bild ist 2007 entstanden, aber bekommt vor dem Hintergrund der aktuellen Hetze gegen Muslime und Flüchtlinge eine neue Bedeutungsebene.
5. Die filigranen Mobiles von Constantin Luser aus allen Perspektiven betrachten
Im vorigen Jahr hat die Berliner Galerie Crone eine Dependance in Wien eröffnet. Jetzt zur Viennacontemporary geht sie mit dem Österreicher Constantin Luser an den Start. Aus Draht biegt er filigrane Mobiles, die vor der weißen Wand der Koje wie schwebende, sich langsam drehende Zeichnungen wirken. In manchen erkennt man Gesichter im Profil, andere erinnern an Schrift oder bleiben abstrakte Muster.
6. Über den Bildwitz des Ungarn Ferenc Ficzek lachen
Wie schließt man eine Schere? Mit einem Reißverschluss! Zumindest wenn es nach dem Ungarn Ferenc Ficzek und seinen humorvollen Fotomontagen aus den 70er-Jahren geht. Die Galerie acb aus Budapest hat eine Solopräsentation dieses fast vergessenen Bohème-Künstlers aus Pécs mitgebracht, der schon 1987 gestorben ist und jetzt auf seine Wiederentdeckung wartet. Neben abstrakten Gemälden und Animationsfilmen kann man sich über Ficzeks Fotomontage-Serie "Önlapozó" freuen: Darauf ist immer wieder eine Person zu sehen, die sich scheinbar aus den Bildern befreit und den Rand der Fotos umbiegt.
7. Sich über Fußbänkchen in Babystramplern wundern
Am Stand der KOW Galerie aus Berlin bleiben besonders viele Besucher der Viennacontemporary stehen. Das liegt an Tobias Zielonys eindringlichen Fotos von Jugendlichen aus der "Sequel"-Reihe, aber vor allem an der großen, bunten Installation von Michael E. Smith aus Detroit. Zwei Dutzend Fußbänkchen hat er mit Babystramplern angezogen und zu einer Pyramide aufgetürmt. Sind das noch Möbelstücke oder schon Kleinkinder?
8. Ein Selfie machen in der Installation #putyourheadintogallery
Auf Instagram findet man unter #putyourheadintogallery jede Menge witzige Selfies: Sie entstehen in der gleichnamigen Installation des georgischen Künstlers Tezi Gabunia am Stand vom Popiashvili Gvaberidze Window Project aus Tiflis. Der Künstler hat berühmte Ausstellungsorte wie den Louvre oder die Tate Modern als Miniaturmodelle nachgebaut und eine so große Lücke gelassen, dass ein Kopf – wenn man ihn querlegt – genau hineinpasst.
9. Von Csaba Nemes lernen, wo der mitteleuropäische Orient liegt
Kuppeln und Minarette – diese Architektur scheint eine eindeutige Sprache zu sprechen. Irgendwo im Orient müssen sich die Gebäude befinden, die der Ungar Csaba Nemes in seiner neuesten Gemäldereihe "Central European Orient" zeigt. Tatsächlich liegen aber alle in Europa. Vom Budapester Zoo bis zur ehemaligen Dresdner Zigarettenfabrik Yenidze hat der 1966 geborene Künstler Beispiele orientalisierender Architektur gesammelt. Jetzt sind sie in der Koje der Galerie Knoll aus Wien und Budapest zu sehen.
10. Sich von Aneta Grzeszykowskas Selbstporträts irritieren lassen
Das Gesicht weiß geschminkt und den Mund rot – geht das auch andersrum? Für ihre Fotoarbeit "Negative Makeup" hat es Aneta Grzeszykowska ausprobiert. Die Galerie "Raster" aus Warschau zeigt auf der Viennacontemporary neben diesem Werk der 1974 geborenen Polin Fotos aus ihrer "Selfie"-Reihe: Dafür hat Grzeszykowska Teile ihres eigenen Körpers aus Schweinehaut nachmodelliert – unter anderem ihre Vulva. Verstörende Arbeiten zu Körperbilder und Weiblichkeit.