Kunstmesse Vienna Contemporary

Wiener Entdeckungen

Die zehnte Ausgabe der Wiener Kunstmesse Vienna Contemporary profitiert unter einer neuen Leitung von der Fokussierung auf einzelne Positionen - und von den großzügigen Hallen. Ein Rundgang

Schräg und ein bisschen dunkel, so kennt man die Österreicher. Die 1959 in Klagenfurt geborene Ines Doujak hat am Stand der Galerie3 drei beunruhigende Collagen aufgehängt und mit "gestatten" von 2024 eine lebensgroße menschlich wirkende Figur mit einem Pelzgesicht aufgestellt, die sich in eine in Streifen geschnittene Flecktarnuniform und eine Art Tüllrock gewandet hat. Man erschrickt, wenn man sie im Vorbeigehen wahrnimmt – und freut sich dann doch über diese Begegnung. In Deutschland kennt man die interdisziplinär arbeitende, performende und Liedtexte schreibende Doujak zu wenig. Dabei hat sie schon bei der Documenta von 2012 ausgestellt und Soloschauen in diversen Museen gehabt. Galerie3, die vor allem Künstlerinnen zeigt, widmet Ines Doujak parallel zum Auftritt bei der Vienna Contemporary eine Soloschau in ihren Räumen in der Schleifmühlgasse. 

Bei der zehnten Vienna Contemporary ist Galerie3 in der Sektion "Emerging" dabei, die den jungen, aufstrebenden Galerien gewidmet ist. Es ist eine von insgesamt vieren auf der führenden österreichischen Kunstmesse, die an diesem Wochenende in Wien stattfindet. Neben dem Hauptfeld mit um die 60 Galerien gibt es seit diesem Jahr auch die "Zone1" mit jungen Künstlern unter 40 und "Context", zu denen Künstler mit ihren Galerien eingeladen werden. Hinzu kommt die von Mirela Baciak kuratierte Ausstellung "VCT Statements“ als Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Salzburg.

"Context" ist vielleicht die spannendste. Kuratiert von Pernilla Holmes präsentiert sie avantgardistische Positionen des ausgehenden 20. Jahrhunderts, die für viele Messebesucher neu sein dürften (von Arnulf Rainer bei Galerie Ruberl mal abgesehen). Da sind etwa die ausdrucksstarken Malereien und Zeichnungen von Kosara Bokšan (1925-2009) zu entdecken, die die Galerie RIMA aus Belgrad mitgebracht hat. Die 1925 in Berlin geborene, in Paris tätige und 2009 in Serbien gestorbene Künstlerin widmet sich darin einem Phänomen, von dem Wien in diesen Tagen nur träumen kann: der Sonne. Für die Messetage sagen Meteorologen gigantische Regenmengen und Sturm voraus.

Gut bedacht

Da hilft es, dass die Vienna Contemporary dieses Jahr in der großzügig dimensionierten Halle D der Wiener Messe und direkt neben der U-Bahnstation Krieau untergebracht ist anstatt im prunkvollen, aber etwas beengten Kursalon im Stadtpark. Man kann unter hohen Decken spazieren gehen, Kunst schauen und doch trockenen Hauptes bleiben. Für das zeitgleich eröffnenden Galeriefestival Curated by gilt das nicht, die teilnehmenden Galerien sind über die Stadt verstreut. Allerdings läuft Curated by auch deutlich länger als die Messe. Die von Gastkuratoren konzipierten Schauen der Wiener Galerien bleiben bis zum 19. Oktober geöffnet, und in der österreichischen Hauptstadt sind gerade die wichtigen institutionellen Ausstellungen losgegangen. 

Wenn man in diesen nassen Tagen nun aber schon mal auf der Messe ist, dann bleibt man am besten – und entdeckt die farbintensive, auf abgeschmirgelten Autolacken basierende Abstraktionen des Italieners Tiziano Martini bei A+B Gallery (Brescia), die kuriosen Figuren des Malers Georg Thanner bei House of Spouse oder den jungen Künstler Vukadin Filipović bei Non Canonico aus Belgrad, der langgliedrige androgyne Männer und einen grimmig-lustigen Hund mit scharfen Zähnen ausstellt.

Die Messe hat viele Newcomer, aber auch alle wichtigen Galerien Österreichs versammelt, darunter Thaddaeus Ropac, Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder und Crone. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen vor allem Künstlerinnen aus Ost- und Südosteuropa, die schon vor mehreren Jahrzehnten mit großer Kraft und jenseits des etablierten Kunstbetriebes gearbeitet haben. Die Silbergelatineabzüge der 1959 geborenen Zsuzsi Ujj aus den 1980er-Jahren in Budapest etwa zeigen die Performerin und Künstlerin mal angemalt und in Zellophan verpackt oder einen Totenschädel gebärend – feministischer ungarischer Punk, dem bei acb Kortárs Művészeti Galéria aus Budapest ein ganzer Stand gewidmet ist.

Diese Fokussierung auf einzelne Künstlerinnen tut der Messe insgesamt gut – es sind diese von der neuen Direktorin Francesca Gavin eingeführten Sektionen, die die Messe abwechslungsreich machen. Und trotz des ungemütlichen Wetters zu einer vielversprechenden Veranstaltung.