Er war der erste Schwarze Fotograf, der für die US-"Vogue" das Cover fotografierte (es war Beyoncé für die berühmte September-Ausgabe 2018). Inzwischen ist Tyler Mitchell auch ganz selbstverständlich in der Kunstwelt angekommen. Gerade wirdmet ihm das C/O in Berlin eine Solo-Ausstellung. Für seine Botschaft, sagt er, sei es aber egal, ob er Prominente fotografiere oder sein privates Umfeld. "Ich unterscheide kaum zwischen meinen Auftragsarbeiten und meinen persönlichen Arbeiten. Beide nutze ich als Gelegenheit, dieses utopische Universum zu schaffen - sei es, um Beyoncé, Spike Lee, Skater in Kuba oder meine sehr engen Freunde zu fotografieren."
Mitchell wurde 1995 in Atlanta geboren. Er entwickelte ein Gespür für die große Macht von Schönheit und Coolness, sah sich die frühen Skate-Videos von Spike Jonze ganz genau an. Aber auf den Plattformen wie Tumblr, über die man damals durch Bilder miteinander kommunizierte, fand er sein Lebensgefühl hauptsächlich durch weiße Models repräsentiert: Sinnliche, junge, attraktive Menschen, die herumrannten, frei waren und Spaß hatten. Mitchell wuchs auf mit den Bildern von Larry Clark und Ryan McGinley, Bildern von Wildheit, Zärtlichkeit und Aufbruch. Gefühle, die der weißen Mehrheit vorbehalten zu sein schienen.
"Ich denke oft darüber nach, wie Spaß für Weiße aussieht, und habe immer das Gefühl, dass es den für Schwarze nicht auf die gleiche Art gibt", sagt Mitchell. "Meine Arbeit ist entstanden aus dem Wunsch, diese Lücke zu füllen. Ich habe den Drang, eine Bildwelt zu schaffen, in der Schwarze frei, ausdrucksstark, mühelos und sensibel gezeigt werden."
Tyler Mitchell ist damit Teil einer Bewegung, die der US-Autor Antwaun Sargent 2019 "New Black Vanguard" nennt und zwischen Fashion-Fotografie und Kunst identifiziert. Das gleichnamige Buch gibt es bei C/O Berlin im Shop, und anders als zu Mitchells Anfangszeiten sind heute viel mehr Namen geläufig als nur seiner. Mitchell erschuf als Erster eine Welt, in der eine ausschließlich Schwarze Gemeinschaft sehr selbstverständlich Ausdruck für Schönheit, Erfolg, Flirts, Sexyness, Glück formuliert.
Nichts ist zufällig
Eines seiner künstlerischen Mittel ist dabei die durchdachte Komposition, nichts ist zufällig. Und doch fängt er genau die Spontaneität und Spannung ein, die diese Momente glaubwürdig macht. Darin eine eigene Sprache zu finden und im ganzen Œuvre durchgängig weiter zu formulieren, das gelang Tyler Mitchell in seiner ersten großen Monografie "I Can Make You Feel Good" von 2020.
Auf einem Bild ist eine Frau in Rückenansicht zu sehen, sie sitzt am Strand und trägt einen Badeanzug, der Rücken ist mit Sand bedeckt, die Form des Abdrucks erinnert ein bisschen an Engelsflügel. Mitchell zeigt ihr Gesicht nicht, wir sehen durch sie das, was sie selbst sieht: einen Tag am Meer. Dabei geht es nicht nur um die irdische Paradies-Vorstellung vom feinkörnigen Strand, sondern auch um den Schwarzen Körper und seine vielschichtige Geschichte aus Aneignung, Ausbeutung, Idealisierung. Das alles ist mitgedacht, aber es beschwört auch eine imaginäre Zukunft herauf.
Dass er Skater ist, sagt Mitchell, habe ihn geprägt. Es sei kein Sport, in dem man sich im Wettkampf befinde. Sondern nur in der Gemeinschaft weiterkomme.