Der 1989 in Nikosia geborene Künstler Theodoulos Polyviou setzt, wie er selbst sagt, "Virtualität und digitale Technologien ein, um Lücken im zyprischen Kulturerbe zu untersuchen, zu rekonstruieren und zu füllen". Das klingt nerdig, hat es politisch aber in sich. In der Präsentation "Screen" hat Polyviou kürzlich im Berliner Bode-Museum mittels einer digitalen 3-D-Rekonstruktion den Weg einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden zypriotischen Ikonostase (das ist eine Bilderwand, die in orthodoxen Kirchen das Kirchenschiff vom Altarraum abgrenzt) an die Spree nachgezeichnet.
In "A Palace in Exile", dem jüngsten Kapitel seiner 2022 begonnenen Serie "Transmundane Economies" in der Julia Stoschek Foundation, geht es in den Palast, den Erzbischof Makarios einst auf der Insel bauen ließ. Für Polyviou ist das Bauwerk ein traumatisches Symbol für den Zusammenfall von politischer und religiöser Macht in der Gestalt des legendären antikolonialen Nationalisten, der 1960 erster Staatspräsident der unabhängig gewordenen Insel wurde.
Eröffnet wird die Ausstellung von einer Installation historischer Bruchstücke aus dem Palast und aus zypriotischen Kirchen aus der Sammlung des Künstlers. Polyviou nennt sie "dogmatische Negative". Der Künstler stellt sich vor, wie er selbst an dem ersten, von Makarios in den 1950er-Jahren einberufenen Architekturwettbewerb auf der Insel teilgenommen hätte, aus dem der Palast hervorging. In Zusammenarbeit mit dem Architekturdesigner Loukis Menelaou hat er einen computergenerierten Filmrundgang für seinen Vorschlag eines alternativen Palasts geschaffen, in den Elemente der Stoschek-Standorte Düsseldorf und Berlin eingehen.
"Gegen-Narrative" zu Geschichtserzählungen
Dessen Grundriss orientiert sich an dem Bild "Symbol of Life" von Polyvious Landsmann Daskalos – einem 1912 geborenen, 1995 verstorbenen und von Rudolf Steiner und Hilma af Klint beeinflussten Künstler und Mystiker, den man zwang, seine Lehren öffentlich zu widerrufen. Die Referenz mag überraschen. "Aber es gab da einen Grad der Unterdrückung, zu der ich als jemand, der in Zypern queer aufwuchs, Parallelen zog", erklärt Polyviou.
Das jüngste Werk des Virtuosen des historisch-imaginativen Komplexes liefert ein bestechendes Beispiel für den auch im Kunstfeld verbreiteten Versuch, "Gegen-Narrative" zu den herrschenden Geschichtserzählungen zu bilden.
Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol 9/2024.