Ausstellung "Tedious And Brief" in Dresden

Der Elefant steht im Raum, ohne zu stören

Wer Kunst aus Israel zeigt, muss zurzeit mit Druck zur Positionierung rechnen. Im Kunstverein Dresden reagieren Gili Avissar und Tamar Harpaz mit einer Ausstellung, die Empathie ins Zentrum stellt und Widersprüche aushalten will

Wie lässt sich über Kunst schreiben in einer Gegenwart, deren Debattenkultur davon geprägt ist, eher Blockaden als Brücken zu bauen? In der Werke unmittelbar neben Äußerungen und Taten in einer auffällig abhängigen Beziehung zu ihren Urhebern stehen? Autonomie war (vielleicht, wenn überhaupt) vorgestern. Mit jeder gesendeten Information wird Partei ergriffen. 

Wie also lässt sich beispielsweise über die Ausstellung zweier israelischer Kunstschaffender schreiben, die von einer in Israel lebenden und arbeitenden Künstlerin kuratiert wird, ohne ein politisches Minenfeld zu betreten? Wie lässt sich die Schau "Tedious and Brief" (frei übersetzt "langwierig und kurz") von Gili Avissar und Tamar Harpaz im Dresdner Kunstverein diskutieren, ohne dass sich Einzelne schon an dem Ausgangspunkt stören werden, warum man "ausgerechnet" jetzt israelischen Kunstschaffenden eine Plattform bietet? 

In der Vorbereitung wurde der Kunstverein gefragt, ob man für die Eröffnung Polizeischutz beantragen wolle. "So ein Quatsch", war die selbstsichere Rückmeldung. In Berlin wäre die Antwort möglicherweise anders ausgefallen. Und das, obwohl die politische Implikation dieser Ausstellung erst einmal nur durch die Biografien ihrer Urheber gegeben ist. In Dresden jedenfalls war der Polizeischutz trotz enorm hohen Andrangs nicht nötig. 

Interesse an der Materialität der Medien

Unweit des Elbufers, in Gehweite zum Goldenen Reiter, befindet sich die Tür zu einem sensibel kuratierten Refugium, das durch das große, der Straße zugewandte Schaufenster einlädt. Im Raum levitieren die farbenprächtigen Stoffarbeiten von Gili Avissar in der Nähe des Schaufensters, die Glasarbeiten und Objekte von Tamar Harpaz brauchen die Dunkelheit der abgelegenen Seite. Dort fügen sich ihre installativen Anordnungen von Glasplatten, Spielzeugen, Möbeln und anderen Objekten zu cineastischen Bildern zusammen. Nicht wie am Film-Set, sondern als konzeptuelle Fortsetzung dessen, was Expanded Cinema in den 1960er-Jahren anstieß und heute als Überlegungen über das Filmische bezeichnet werden könnte. Am Anfang stand das Interesse für narrative Medien wie Film oder Kino, das sich mittlerweile in Begeisterung für die Materialität dieser Medien äußert: Linsen, Objektive, Kameras. Objekte zwischen Inszenierung und Readymade. 

Im Ausstellungsraum finden sich immer wieder Momente, bei denen die Werke buchstäblich aufeinandertreffen. Ein Schattenspiel, an dem Tamar Harpaz stundenlang arbeitete, wurde wenige Augenblicke vor Aufbau-Ende ungefragt um ein rotes Stück Stoff ergänzt. Ein Hauch von Gili. Weil der Platz für die mitgebrachten Textilien von Avissar nicht reichte, stand stattdessen der Vorschlag im Raum, die einzelnen Werke in eine kunterbunt-monströse Puppen-Gestalt zu stopfen. Ein Haufen Gili. 

Avissar erzählt, dass er im Zuge der Vorbereitung sein Ego dekonstruierte. Im Sinne der Künstlerin Harpaz. In dieser für sie besonderen Ausstellung treffen zwei aufeinander, die sich bestens kennen. Gili Avissar und Tamar Harpaz wollten seit ihrer gemeinsamen Studienzeit eine Ausstellung zusammen realisieren, sind seitdem enge Freunde. Ihr Verhältnis ist also besonders, eine "besondere" Gegenwart kommt noch dazu. Die Empathie führte letztlich dazu, dass Tamar Harpaz einen mit ihren Lieblingsprodukten gefüllten Kühlschrank in der Dresdner Künstlerwohnung vorfand, die den beiden während des Aufbaus zur Verfügung gestellt wurde. Nicht, weil sich über Präferenzen dieser Art dauernd ausgetauscht wurde, sondern weil der Künstler mit allen Mitteln versuchte, sich in die Künstlerin hineinzuversetzen. Um das Resultat in die ortsspezifische Ausstellung münden zu lassen. 

Leichte, weiche Waffen

Es sind vermeintlich anekdotische Hintergründe wie diese, die den Eindruck der Ausstellung "Tedious and Brief" abrunden. Die Kuratorin Maja Gratzfeld empfindet die "Werke wie Waffen, aber weiche Waffen" und betont die "Leichtigkeit - trotz allem." Eben diese vermittelt die Ausstellung emotional, sobald sie betreten wird. Wie kleine Gesten, die wir praktizieren, um gegen das alltägliche Grauen zu protestieren. Niemand leugnet hier irgendetwas. Elefanten stehen im Raum, sie sind anwesend. Allerdings verwüsten diese Rüsseltiere den metaphorischen Porzellanladen in Form flatternder Stoffe und fragiler Glasobjekte nur, wenn sie aufgeschreckt werden. Und manchmal kann der Elefant im Raum stehen, ohne zu stören. Es kann dienlich sein, sich mit ihm einen Raum zu teilen, ohne ihn direkt einschläfern zu wollen.

Dabei ist (der Anschein von) Normalität eine der raren Quellen für Hoffnung. In Kriegsgebieten und außerhalb davon. Weitermachen - das ist ein Akt des Widerstands. Und Widerstand muss nicht immer explizit sein. Manchmal ist das Flüstern am lautesten und das Unausgesprochene am überzeugendsten. Das ist das Schöne an Poesie und Kunst.