Antisemitismus auf der Documenta

Hier ist die Grenze überschritten

Seit dem Wochenende zeigt die Documenta auf dem zentralen Friedrichsplatz in Kassel ein Kunstwerk mit antisemitischen Darstellungen. Wie konnten die Organisatoren das zulassen?

Welche eine Ironie. Tagelang waren in den Vorbesichtigungstagen der Documenta Fifteen Journalistinnen und Journalisten über die Ausstellung gegangen, um wie Detektive in Kassel nach Spuren des Antisemitismus zu suchen, der den Documenta-Machern im Vorfeld vorgeworfen worden waren. Kritisch diskutiert wurde das Bild mit dem Titel "Guernica Gaza" aus der Präsentation der Künstlergruppe Eltiqa aus dem Gaza-Streifen – doch Picassos Guernica zum x-ten Mal als Chiffre für die Schrecken des Krieges zu zitieren, ergibt vielleicht kein gutes Bild, aber ist nicht wirklich skandalisierbar. Ansonsten lautete die Diagnose: nichts gefunden.

Inzwischen werkelte die indonesische Künstlergruppe Taring Padi noch an der Installation eines großen Banners auf dem Friedrichsplatz vor der Documenta-Halle – das am Wochenende erst entfaltet wurde. Taring Padi, gegründet Ende der 1990er-Jahre in politischer Opposition zu dem Regime des damaligen Präsidenten Suharto, bedienen sich in ihren Bannern, Gemälden und Pappaufstellern einer pointierten Agit-Prop-Ästhetik, sie arbeiten mit scharfen Karikaturen, aber auch den Bildwelten von Friedensbewegung, Ökobewegung oder Pro-LGBTQ.

Über 1000 ihrer Pappaufsteller, teilweise in Workshops mit Kindern und anderen Gruppen aus Kassel produziert, sind auf dem Friedrichsplatz installiert. Das große Banner aber zeigt in einem von mehreren Teilen Karikaturen von Soldaten mit Schweinegesichtern, die "Mossad"-Helme tragen, und, versteckt hinter einem grotesken Clown, auch die Karikatur eines Juden mit Schläfenlocke, Zigarre und SS-Zeichen auf dem Hut. 

Die Documenta schwächt ihre Position

In der satirischen Welt von Taring Padi wird niemand verschont, viele Karikaturen zielen auch auf die USA und auf lokale Machthaber. Zahllose Tierwesen bevölkern die Bilder, viele Symbole, die man als westlicher Betrachter, der den Kontext dieser Gruppe nicht kennt, nicht zuordnen kann.

Das Banner mit dem Titel "People’s Justice" auf dem Friedrichsplatz ist dem Vernehmen nach über 20 Jahre alt, Kontext und Intention werden mit der Gruppe zu klären sein. Zweifellos aber überschreitet die Karikatur des Juden die Grenzen dessen, was in Deutschland gezeigt werden sollte. Immer wieder werden ähnliche Karikaturen in deutschen Medien scharf kritisiert und auch zurückgezogen, zu Recht. Mit diesem Bild schwächt die Documenta Fifteen ihre Position. Gerade nach all den Diskussionen vorab hätte das nicht passieren dürfen.