Halil Altındere auf der Berlin Biennale

Tanz mit den Tabus

Halil Altindere folgt mit seiner Berlin-Biennale-Arbeit einem syrischen Rapper auf seinem Weg von den mit Landminen gespickten Feldern seines Landes bis zum Kreuzberger Oranienplatz – Tribut an die Massenkultur und die Protagonisten des arabischen Frühlings

Sind Flüchtlinge Menschen, die "gezwungen wurden, aus ihrem Land wegen Verfolgung, Krieg oder Gewalt zu fliehen"? So definieren es die Vereinten Nationen. Oder sind sie der Stoßtrupp einer kommenden Invasion? In seiner Arbeit für die Berlin Biennale konterkariert Halil Altındere den Versuch, eine humanitäre Katastrophe in ein Angstbild umzudeuten. "Homeland", die knapp zehnminütige Arbeit des 1971 im kurdischen Mardin geborenen Künstlers, schließt an sein Video "Wonderland" (2013) an, in dem eine Gruppe junger Rapper den Stadtumbau Istanbuls im Stil eines rasanten Musikvideos anprangert.

Wieder geht es um den Verlust der Heimat. Die halb autobiografische, halb fiktionale Geschichte folgt dem syrischen Rapper Mohammed Abu Hajar auf seinem Weg von den mit Landminen gespickten Feldern seines Landes bis zum Kreuzberger Oranienplatz – Tribut an die Massenkultur und die Protagonisten des arabischen Frühlings. Gewohnt furchtlos und spielerisch unterläuft der wohl bekannteste türkische Polit-Künstler auch in "Homeland" wieder die Logik offiziöser Repräsentation: Mal überwinden die Flüchtlinge einen Grenzzaun mit Breakdance-Gymnastik, mal retten sie sich auf ein Flugzeug wie auf einen fliegenden Teppich.

In seiner Arbeit "Dance with Taboos (ID)" von 1997 schlägt der Künstler wegen der rigiden Identitätspolitik seines Landes auf einem Passbild die Hände vor dem Gesicht zusammen. Die provozierende Geste könnte er angesichts der Flüchtlingsbilder heute wiederholen. Seine neue Arbeit zeigt: Altındere bleibt der Mann, der mit den Tabus tanzt.