Hollywood streikt. Seit dem 2. Mai tippen die Drehbuchautoren, die sonst für Filme, Serien oder Late-Night-Shows schreiben, nicht mehr. Am 14. Juli haben sich auch die Schauspielerinnen und Schauspieler angeschlossen. Zum ersten Mal seit 1980 stehen sie nicht mehr vor der Kamera, treten nicht bei Filmpremieren auf und verweigern Marketing-Termine - was auch Blockbuster wie den "Barbie"-Kinofilm getroffen hat.
Gründe für den Streik sind unter anderem die Forderung nach einem geregelten Einsatz von KI in der Branche, sowie nach verbesserten Vergütungsplänen, die die Inflation und das Streaming von Filmen und Serien bei Online-Diensten wie Netflix, Amazon Prime und Co berücksichtigen. Auch wenn sich bekannte Hollywood-Stars wie Meryl Streep, Jennifer Lawrence und Ben Stiller dem Streik angeschlossen haben, geht es dabei vor allem um die, deren Namen man nicht kennt. Die nicht über den roten Teppich laufen.
Drehbuchautoren und Darstellerinnen fürchten, dass sie in Zukunft leicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden könnten und ihnen so Einkünfte wegbrechen. KI kann heute Dialoge schreiben, mit Ganzkörperscans können Schauspielende durch Nachbearbeitung in Filmen ersetzt werden.
In den USA sind Streiks bindend - in Deutschland nicht
Derzeit ist der Streik für die Hollywood-Studios aber vor allem eines: teuer. Bereits 2007 legten Drehbuchautoren in den USA für 100 Tage die Arbeit nieder, der finanzielle Verlust für die Unterhaltungsbranche wurde auf hunderte Millionen Dollar geschätzt. Dennoch: still steht Hollywood nicht. Auf den Straßen gibt es Protestmärsche und Performances, eine Einigung scheint nicht in Sicht.
Die Probleme, die die Kreativen umtreiben, sind auch in anderen Ländern relevant. Trotzdem hat man noch keine Massen deutscher Künstler dagegen auf die Straße ziehen sehen. Der größte Unterschied zwischen den USA und Deutschland bei Streiks von Kreativen liegt darin, dass in den USA nach dem "Closed-Show-Prinzip" nur Schauspielerinnen an Produktionen mitwirken dürfen, die Mitglied einer Gewerkschaft sind, erklärt der Vorstand des Bundesverband Schauspiel, Hans Werner Meyer. Dagegen sind in Deutschland lediglich ein Viertel der Schauspielenden auf diese Art organisiert.
Für die Mitglieder der US-Schauspielgesellschaft Sag-Aftra und der Gewerkschaft Writers Guild of America (WGA) sind die Streiks bindend. Selbst, wenn es zu einem vergleichbaren Ausstand unter Drehbuchautoren und Schauspielerinnen in Deutschland kommen würde, sieht Gerrit Hermans, Sprecher des Deutschen Drehbuchverbandes, keine hohe Erfolgschance: Da die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft hier freiwillig ist, würden sich immer "Streikbrecher" finden, die die abwesenden Kolleginnen ersetzen, vermutet er.
Das, was fehlt, muss auch vermisst werden
Dennoch beobachte er einen Anstieg der Mitgliederzahlen im Drehbuchverband. Einer der Gründe ist auch hier die Frage nach der angemessenen Vergütung. "In jedem Fall müssen die Urheberinnen und Urheber bei Verwendung ihrer Werke zum Training von KI zukünftig an Gewinnen beteiligt werden", fordert Hermans. Auch aus künstlerischer Sicht hat er seine Zweifel an der Qualität von Drehbüchern, die zumindest durch die Unterstützung von KI entstehen könnten. "Wenn im Grunde nur noch 'alte' Inhalte rekombiniert und reproduziert werden, mit denen die KI auch deshalb gefüttert wurde, weil sie erfolgreich waren, wird der angelsächsische, weiße und männliche Mainstream repräsentiert. Sieht so kreative Innovation aus?"
Während nun die Bilder der Hollywood-Streiks um die Welt gehen und die Streaming-Dienste sich bereits um Content-Nachschub sorgen, ist ein so flächendeckender Ausstand in der bildenden Kunst nur schwer vorstellbar. Die Streikenden in der Filmbranche haben mit den großen Studios und Streaming-Anbietern Gegner, an die sie Forderungen stellen. Doch wie gehen Kunstschaffende in anderen Disziplinen vor? Vor allem, wenn sie keinen festen Arbeitgeber haben und als Soloselbstständige arbeiten?
Im Februar dieses Jahres protestieren Studierende der Düsseldorfer Kunstakademie, weil die Wahl der Architektin Donatella Fioretti zur Rektorin für ungültig erklärt worden war. Beim Rundgang zum Ende des Wintersemesters blieben die meisten Türen verschlossen, wo sonst junge Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten vorstellen. Letztendlich wurde Fioretti dann gewählt, welchen Anteil der Studierendenstreik daran hatte, ist jedoch schwer zu sagen. Überhaupt ist eines der Probleme, dass Verweigerung in der Kunst oft gar nicht wahrgenommen wird. Würde es tatsächlich genug öffentlichen Druck erzeugen, wenn Ausstellungen oder Performances ausfallen oder Künstlerinnen keine PR-Termine mehr wahrnehmen? Streiks in der Kultur funktionieren nur dann, wenn das, was fehlt, auch vermisst wird.
Performativer Streik ohne konkreten Gegner
Wirft man einen Blick zurück, sind die Aktionen in der Kunstwelt, die dann doch aufgefallen sind, meist an Institutionen des Betriebs gekoppelt. Insbesondere Museums- und Galerieschließungen wurden als Mittel des politischen Protests genutzt. Bereit 1969 rief die Art Workers Coalition dazu auf, Museen als Zeichen gegen den Vietnamkrieg geschlossen zu halten. 2011, als das Guggenheim Abu Dhabi erbaut wurde, nutzten internationale Künstlerinnen und Künstler das Mittel des Streiks, um auf die unmenschlichen Bedingungen für die dortigen Arbeiter aufmerksam zu machen. Sie weigerten sich, die Werke, die eigentlich im Guggenheim ausgestellt werden sollten, an das Museum zu liefern. Trotz der Kosten in Millionenhöhe, die durch die Verzögerung verursacht wurden, war die Außenwirkung des Streiks als der größere Schaden wahrgenommen worden. Bis heute hat sich die Eröffnung des geplanten Hauses immer wieder verzögert.
Zu Streiks unter Museumsmitarbeitenden kam es erst jüngst in Bulgarien und Griechenland. Der nationale Kulturverband der Gewerkschaftsvereinigung Podkrepa rief 2022 in Bulgarien Museen und Galerien dazu auf, geschlossen zu bleiben, weil sie die Fördergelder des Staates als zu gering ansahen. In Griechenland warfen Gewerkschaften der Regierung vor, zu viel Geld für Führungspersonal auszugeben, während viele Museen des Landes unterbesetzt seien. In Deutschland sind die Mitarbeitenden staatlicher Museen meist als Tarifbeschäftigte angestellt. "Solange ein Tarifvertrag existiert, herrscht eine Friedenspflicht, welche Streiks verbietet", erklärt Sylvia Willkomm, Sprecherin des Deutschen Museumsverbandes.
Da die meisten bildenden Künstler Soloselbstständige sind, ist Streik im herkömmlichen Sinne für sie schwer. Sie müssen andere Möglichkeiten des Protests finden. Oder streiken trotzdem, aber eher performativ und ohne konkreten Gegner. Prägend für den Begriff des "Art-Strike" ist Gustav Metzger, der 1974 Künstler dazu aufrief, ihre Arbeit für drei Jahre niederzulegen.
Kunst machen statt Kunst verweigern
Der Protest richtete sich gegen die Doktrin, Kunst für den politischen Kampf und soziale Veränderungen zu nutzen. Die Verweigerung von Arbeit betrachtete Metzger als wichtigstes Mittel im Kampf gegen den Kapitalismus, oder wie er es etwas abstrakt ausdrückte: "das System". Die von ihm anvisierten drei Jahre des Streiks sah er als minimal nötige Zeit an, seinen Standpunkt zu verdeutlichen.
Knappe zehn Jahre später tat es ihm Stewart Home nach und rief wiederum dazu auf, die künstlerische Arbeit von 1990 bis 1993 einzustellen. In den USA und Großbritannien bildeten sich eigene "Art Strike Action Committees", die den Streik im Vorhinein koordinieren und propagieren sollten. Zuletzt führte Denis Limonov vom weißrussischen Kunstkollektiv Lipovy Tzvet von 2014 bis 2017 einen Kunststreik nach Vorbild Metzgers durch.
Andere Künstlerinnen und Künstler wählen den gegenteiligen Weg: Statt ihre Kunst zurückzuziehen, nutzen sie diese, um für Veränderung zu kämpfen. "Die Kunst bietet an sich die Möglichkeit, auf Missstände unserer Gesellschaft aufmerksam und notwendige gesellschaftliche Veränderungen sichtbar zu machen. Es geht letzten Endes mit bildender Kunst um Formen der Sichtbarkeit der Gemeinschaft, wie der französische Philosoph Jacques Rancière sagen würde", so zwei Sprecherinnen vom Deutschen Künstlerbund. Statt die Arbeit niederzulegen, gab es zuletzt die vom Künstlerbund organisierte Berliner Ausstellung "Wenn das Licht ausgeht", in der die Energie- und Klimakrise thematisiert wurden. Die Kunst entsteht hier anders als in Hollywood weiter - und wird hier selbst zum Protestmittel.