Wo früher die Diplomatengattinnen der ausklingenden Bonner Republik ihre Abendgarderobe anprobierten, wird bald das Kölnische Stadtmuseum sein Publikum empfangen. Im ehemaligen Modehaus Franz Sauer, einem mondänen Einkaufstempel aus den späten 1980er-Jahren, das seine zahlkräftige Kundschaft bis zu seiner Schließung 2016 in der Kölner Minoritenstraße empfing.
Mit seiner Fassade aus Worzeldorfer Quarzit, dem Sockel aus Basalt-Lava und der zentral angelegten Rundtreppe mit ihrem gewienerten Messinggeländer galt das privat geführte Kaufhaus als eine der ersten Adressen für repräsentative Damen- und Herrenmode in der Domstadt. Beim Baustellenbesuch weht noch immer ein Hauch der alten BRD durch die bis ins Detail durchdachten Räume, die sich auf Split-Levels nach oben und unten erstrecken. Gediegene Großzügigkeit, wohin das Auge blickt. Nur die Wasserfälle, die an der Wand entlang bis ins Bassin im Untergeschoss flossen, und der über mehrere Etagen gewachsene Baum mussten entfernt werden. Beide hätten sich nicht mit den Exponaten vertragen, die hier bald einziehen sollen.
Der ungewöhnliche neue Standort ist ein großes Glück: Für das vom Kölner Architekten Ulrich Coersmeier entworfene Gebäude, das nach der Schließung mehrere Jahre ungenutzt leer stand. Und für das Stadtmuseum, das nach einem massiven Wasserschaden im Jahr 2017 binnen weniger Tage notevakuiert werden musste.
Ein Gewinn für die Menschen in der Innenstadt
Ein neuer, umfassender Museumsbau ist in Planung, wird aber voraussichtlich erst in zehn Jahren bezugsfähig sein. Deshalb spricht man hier auch nicht so gern von Interimslösung – das Kölnische Stadtmuseum wird sicherlich rund ein Jahrzehnt an seinem neuen Standort zu Hause sein. Das ist drittens auch ein Gewinn für die Menschen in der Innenstadt. Zugänglicher als in dieser Lage kann ein Museum heute kaum sein. Das Foyer soll künftig als Anlaufstelle für Laufpublikum mit wenig Zeit dienen, kleine Sonderausstellungen sind hier ohne Eintritt zugänglich. Auch die Dauerausstellung wird komplett neu konzipiert.
Die spezielle Kaufhausarchitektur stellte das kuratorische Team und das Gestaltungsbüro neo.studio neumann schneider architekten vor Herausforderungen. Allein die Ausstellungsfläche ist nun massiv geschrumpft, von ehemals rund 2000 Quadratmetern (plus Sonderausstellungsfläche) auf nunmehr gerade 750. Hinzu kommen die offenen Halbgeschosse, die ebenfalls relativ vergleichslos im Museumskontext sein dürften.
Doch Ausstellungen werden heute ohnehin anders aufgezogen: Sie sollen intellektuell und emotional zugänglicher sein, ein breites Publikum von Jung bis Alt ansprechen und einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne Rechnung tragen. Auch suchen Kuratorinnen und Kuratoren zunehmend nach Alternativen zu einer strengen historischen Chronologie. Die reduzierte Fläche passte da gut ins Programm: Auf Etage 0,5 beispielsweise soll künftig "Der Raum Köln in 30 Minuten" im Überblick präsentiert werden. Andere Etagen widmen sich Emotionen und Affekten wie Liebe oder Angst, denen die Exponate und Ereignisse der Stadtgeschichte zugeordnet werden.
"Ich bin ein Museum"
An anderer Stelle profitiert man unmittelbar von der Kaufhausarchitektur: Das Museum wird künftig komplett barrierefrei zugänglich – die bereits eingebauten Fahrstühle und der ebenerdige Zugang über die Einkaufsstraße waren schon im Modehaus selbstverständlich. Auch die spezielle Materialität des Bauwerks, innen wie außen, wird im Stadtmuseum eine Rolle spielen. Selbst, wenn einiges neu gestaltet und umgearbeitet werden muss, um den Anforderungen an museale Räume gerecht zu werden: bauliche Strukturen werden weiterhin sichtbar bleiben. Dazu gehört auch ein freier Ausblick auf die Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, über ein Eckfenster im Gebäude.
Der große Sauer-Schriftzug, der bis zur Schließung an der Front hing, wird gerade zu einem Pop-Up-Bartresen umfunktioniert. Infotafeln mit Archivfotografien geben Einblick in die Architektur des Hauses. Bis zur offiziellen Museumseröffnung im Herbst wird die hervorragend erhaltene Einrichtung und Ausstattung in verschiedenen Kontexten aufgegriffen, als sichtbare Grundlage für die umfassende Neunutzung.
"Ich bin ein Museum", verkündet ein Banner auf der Frontseite schon einmal. Auch das kann Nachhaltigkeit bedeuten – nicht zwangsläufig für die Ewigkeit gedacht (und deshalb mit ebenso langem Vorlauf geplant, der wiederum Leerlauf bedeutet). Stattdessen eine kluge Umnutzung bestehender Architektur, die unmittelbar auf die Historie des Gebäudes Bezug nimmt. Eine Lösung gegen Leerstand und Verödung der Innenstädte, die ebenso pragmatisch wie ästhetisch spannend ausfällt.