Normalerweise werden auf Werbebildschirmen keine Fragen gestellt - und wenn, dann wird die vermeintlich Antwort gleich mitgeliefert. Sie wollen Ihr Leben verbessern/mehr Sport machen/mehr Geld verdienen? Dann haben wir das passende Produkt für Sie. Noch bis Ende April wird dieser Rhythmus auf vielen LED-Screens weltweit um 20.22 Uhr zumindest kurzzeitig unterbrochen. Die britische Kunstplattform Circa zeigt zu diesem Zeitpunkt unter anderem in Berlin, London, Seoul und Melbourne den Kurzfilm "Hello Who?" des Künstlers Simon Fujiwara.
Die Hauptfigur des Stop-Motion-Werks, ein gezeichnetes weißes Bärchens namens Who The Bear, ist so etwas wie ein Comic-Sokrates der Kunstwelt, der sich über Fragen den großen Themen des Lebens annähert. Zu heiter anmutender Zirkus-Musik macht sich Who Gedanken über Machtverhältnisse, Identität und die Klimakrise: "Wer wird die Welt vorm Schmelzen retten?", fragt sich der Bär, während er mit Greta-Thunberg-Regenmantel im Meer versinkt. "Wer hat wessen Geschichte geschrieben?", "Wer hat die Artefakte gestohlen?".
Fujiwara, der in Berlin lebt und unter anderem für den Preis der Nationalgalerie nominiert war, hat Who The Bear während des ersten Corona-Lockdowns 2020 entworfen. "Ich habe meinen Cartoon als Dada-esque Antwort auf zunehmend extreme und unverständliche Zeiten geschaffen", sagt der Künstler selbst. Als Figur ohne geschlechtliche oder ethnische Zuschreibung könne sie dabei helfen, eine Sprache zu finden, mit der man über komplexe Ideen und auch Tabus in einer Ära der Identitätspolitik sprechen könne. "Who The Bear ist nur ein Bild, das seinen Platz in einer Welt der Bilder" sucht.
Nach einem Gastspiel in der Fondazione Prada 2021 wird Who The Bear nun auf die großen Leinwände im öffentlichen Raum losgelassen. Wenn man sich über die Allgegenwart von Bildern und das Stimmengewirr in der zeitgenössischen Medienwelt Gedanken machen möchte, gibt es für das Video kaum passendere Orte.