Schon Griechen und Römer nutzten Siegelringe als Selfies. Im 16. Jahrhundert verschickten herrschende Häuser glitzernde Porträtminiaturen zur Brautwerbung. Ringe an den Fingern waren von Anfang an nicht bloßer Schmuck, sondern sendeten unzählige Botschaften. Sie konnten Anspruch auf Herrschaft erheben, den Rang ihres Trägers mitteilen, sein Amt oder seinen Familienstand. Sie waren nützlich als Giftgefäß und boten sich als Projektionsfläche für magische Kräfte an. In der Fingerring-Vitrine, einer von 28 Stationen in der Ausstellung "Faszination Schmuck", erzählen gleich 56 von ihnen eine Geschichte.
Der Siegelring mit der Nummer 1 ist das älteste Objekt in der Sammlung. Er stammt aus Mesopotamien des fünften Jahrtausends vor Christus. Die 70 Jahre alte Fassung der Gemme geht auf das Konto von Elisabeth Treskow. Sie war eine der ersten Frauen, die die Goldschmiedekunst ausübten. Die einstige Professorin an den Kölner Werkschulen führte die antike Technik der Granulation wieder in die Schmuckkunst ein.
Da wäre noch das Objekt Nummer 28. Der goldene Liebesring aus dem Italien des 16. Jahrhunderts zeigt zwei nackte Figuren, die sich an einem Pinienzapfen anlehnen. "Per tua belta", "für deine Schönheit" lautet die Widmung. Expliziter wird es bei der Nummer 52. Der "Penisring" des österreichischen Provokateurs Peter Skubic schmückt ein abstehender Phallus aus geschwärztem Silber.
Eine Reise durch die Material- und Formgeschichte
Die zumeist auf Schenkungen zurückgehenden Exponate sind nach Epochen und Themenkreisen angeordnet. Unter dem Tannenbaum könnte man sich einige von ihnen wünschen, wie etwa das nicht ganz echte Collier aus viktorianischer Zeit. Die Goldfassung besteht nicht aus Edelsteinen, sondern aus grün irisierenden Flügeldecken des tropischen Juwelenkäfers. Ein Schutzversprechen sendet auch ein Amulett aus dem 16. Jahrhundert. Es ist mit dreiarmigen roten Korallenästen ausgestattet und soll Kinder vor Krankheiten und Blitzeinschlag bewahren.
Im gleichen Fach bewegt sich eine Silberdrahtkette des japanischen Künstlers Shinji Nakaba, der sie mit winzigen Totenschädeln aus Naturperlen als Vanitas-Mahnungen versehen hat. Eine französische Jugendstil-Halskette bekommt gar die Kurve zur Kolonialismus-Kritik. Sie kombiniert Horn, Süßwasserperlen, Gold und Diamanten zu einem japanischen Ginkgoblatt-Motiv. Kein Versehen, denn durch den Kolonialismus gelangten nicht wenige exotische Pflanzen illegal nach Europa.
In den 1950er-Jahren ging man im Umgang mit Materialien jenseits der Wertanlage neue Wege. Auch die Bildenden Kunstströmungen wie Kubismus, Tachismus oder Informel schlugen sich in der Formgestaltung nieder, mitunter bekamen Schmuckstücke einen skulpturalen Touch. In dem Kapitel "Recycling" trifft man schließlich auf das Coca-Cola-Collier von Wilhelm Tasso Mattar oder den Wachsring von Susanne Sous, der im Notfall mit seinem Docht zur Kerze umfunktioniert werden kann. Trotz der fehlenden Langlebigkeit ein ideales Weihnachtsgeschenk, oder?