Ukraine-Krieg

Russischer Angriff nahe Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar 

Bei einem russischen Angriff in der Ukraine ist ein Gebäude in unmittelbarer Nähe der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar beschädigt worden

Das betroffene Gebäude sei zu Zeiten der Sowjetunion als Sportzentrum gebaut worden und sollte jetzt Teil der Gedenkstätte werden, sagte Nathan Scharanski, Leiter des Aufsichtsrat der Gedenkstätte, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Es sei nun durch einen Brand beschädigt worden, das genaue Ausmaß sei aber noch unklar. Scharanski ist selbst nicht vor Ort.

Nach ukrainischen Angaben schlugen am Dienstag zwei mutmaßliche Raketen beim Fernsehzentrum von Kiew in unmittelbarer Nähe von Babyn Jar ein. Fünf zufällige Passanten wurden dabei getötet, fünf weitere verletzt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Vorfall als Angriff auf die ukrainische Geschichte verurteilt. "Für jeden normalen Menschen, der unsere Geschichte kennt, die Weltgeschichte, ist Babyn Jar ein besonderer Teil von Kiew", sagte der 44-Jährige in einer Videobotschaft vom Mittwoch. Das zeuge davon, dass für die absolute Mehrheit der Russen Kiew fremd sei. "Sie wissen nichts über unsere Hauptstadt. Über unsere Geschichte", sagte der Präsident. Nun versuche Russland, die ukrainische Geschichte auszulöschen.

Der russische Angriff in unmittelbarer Nähe von Babyn Jar sei sehr symbolisch, sagte Nathan Scharanski (ukrainisch: Scharanskyj). Es sei geplant gewesen, das nun getroffene Gebäude zu einem Museum als Teil des Babyn-Jar-Komplexes zu machen. Darin habe man Versuche der früheren Sowjetunion darstellen wollen, Holocaust-Gedenken zu unterdrücken. "Ein russischer Angriff in Babyn Jar, dem größten Massengrab des Holocaust, das hat große Symbolkraft."

Größtes Massengrab in Europa

Am 29. und 30. September 1941 erschossen deutsche Einsatzgruppen mit Soldaten, Polizisten und SS-Männern in Babyn Jar (Altweiberschlucht) 33 771 jüdische Bewohner der besetzten Stadt. Bis zur Befreiung der ukrainischen Hauptstadt durch die Rote Armee im November 1943 wurden in Babyn Jar rund 100 000 Menschen ermordet. Die Schlucht gilt als das größte Massengrab in Europa.

Präsident Selenskij habe Bemühungen, die Gedenkstätte in Babyn Jar zur größten Europas zu machen, sehr unterstützt, sagte Scharanski. "Wir werden alles wieder aufbauen", betonte er.

US-Außenminister Antony Blinken schrieb auf Twitter, die USA seien empört über Berichte, dass russische Bomben nahe der Gedenkstätte Babyn Jar eingeschlagen seien und dass mehr Menschen dort getötet worden seien, wo Tausende Juden während des Holocaust abgeschlachtet wurden. "Wir verurteilen diesen brutalen Krieg gegen die Ukraine", so Blinken.

Mahnmal von Marina Abramovic

Bereits am ersten Tag des russischen Krieges gegen die Ukraine am vergangenen Donnerstag sei die Stadt Uman aus der Luft angegriffen worden, sagte Präsident Selenskij . "Dorthin kommen jedes Jahr Hunderttausende Juden zum Beten", sagte er. In Uman im Gebiet Tscherkassy liegt das Grab des Rabbi Nachman, zu dem jedes Jahr zum jüdischen Neujahrsfest Zehntausende Chassiden pilgern.

"Was kommt da noch, wenn jetzt schon Babyn Jar (bombardiert wurde)?", fragte Selenskyj. "Die Sophienkathedrale? Die Lawra? Die Andreas-Kirche?", zählte er Sehenswürdigkeiten von Kiew auf.

Auf dem Gelände der Babyn-Jar-Gedenkstätte befinden sich mehrere künstlerische Installationen. Marina Abramovic etwa hat hier 2021 eine "Crystal Wall of Crying" eröffnet. Die serbische Performancekünstlerin hatte sich vergangene Woche in einer Videobotschaft gegen den Angriff Russlands gewandt.

Israels Präsident: Fühlen tiefen Schmerz 

Auch Israels Präsident Izchak Herzog hat sich erschüttert über den Angriff gezeigt. Der Beschuss stehe für "das ukrainische Leid, diese schreckliche Tragödie, die sich vor unseren Augen entfaltet", sagte Herzog am Mittwoch während eines Staatsbesuchs auf Zypern. "Wir fühlen tiefen Schmerz und Trauer."

Erst vergangenen Oktober hat er gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Teil der Gedenkstätte eingeweiht. "Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Affront gegen die internationale Ordnung, und ich bin zutiefst besorgt über die gefährdeten Bürger der Ukraine und die jüdische Gemeinschaft", sagte Herzog bei seinem Besuch, der vom zyprischen Fernsehen übertragen wurde. Israels Regierung unterstütze die nationale Integrität der Ukraine.