Mark Rothko hörte lieber Mozart, Schubert und Brahms als Strawinsky, Jazz oder gar Velvet Underground, er las lieber Nietzsche als die Denker seiner Zeit und mochte Velázquez mehr als Picasso. Der Maler, 1903 in Lettland geboren, war ein Alt-Europäer, der in New York zwar berühmt wurde, aber immer auch fremd blieb. Der US-Schriftsteller John Logan, der mit Filmen wie "Skyfall" aus der James-Bonds-Reihe oder "The Last Samurai" auch als Drehbuchautor eine Vorliebe für große, zerrissene Männer bewiesen hat, betont in seinem Theaterstück "Red" (2009) diese Außenseiterposition, indem er von den Jahren erzählt, als die Pop Art die Heroen des Abstrakten Expressionismus in Bedrängnis bringt.
Natürlich trägt Rothko als letzter Samurai dieser ersten originär amerikanischen Kunstrichtung einen braunen Cordanzug, ist unrasiert, raucht und trinkt Whiskey. So sieht ihn jedenfalls Melanie Kretschmann in ihrer Inszenierung, die am Freitag am Schauspiel Köln in der Außenstelle am Offenbachplatz Premiere feierte. Der Kölner Rothko Wolfgang Michael hängt im Gartenstuhl, blickt trüb in die Dunkelheit und grummelt vor sich hin. Sein neuer Assistent Ken (Elias Reichert) könnte eigentlich mal durchlüften, wird aber sofort Opfer von Rothkos Mansplaning. "Die Geburt der Tragödie" solle Ken bitte lesen, genauer Sehen lernen, dies und das.
Das Stück erzählt drei Jahre dieses anstrengenden aber lehrreichen Arbeitsverhältnisses, es entstehen die "Seagram Murals", die von Architekt Philip Johnson für das Restaurant des Seagram Buildings in Manhattan beauftragt wurden. Kretschmann vermeidet die Auratisierung des Mal-Akts, indem sie den Prozess nur ganz kurz pantomimisch darstellen lässt; ein bisschen wie Tai-Chi nach all den tiefgründigen Gesprächen und den vielen Gläsern Whiskey. Die reale Leinwand im Bühnenhintergrund bleibt hingegen weiß und wird zur Projektionsfläche für die Zukunftsentwürfe des jungen Ken.
"Rot" ist ein ruhiges Stück, an manchen Stellen unnötig didaktisch, was halb der besserwisserischen Hauptfigur, halb der theaterfremden, offenbar für Theaterbesucher erklärungsbedürftigen Gattung Malerei geschuldet ist. Rothko ist hier nicht wie Jeff Koons in dem gleichnamigen Theaterstück von Rainald Goetz ein Hallraum, sondern am Ende soll der Zuschauer tatsächlich etwas mitnehmen. Lernt doch der Olympier Rothko selbst in "Rot" etwas, es bewegt sich dieser knorrige Baum ein wenig im aufkommenden Sturm der Swinging Sixties: Er sagt den Auftrag für das Restaurant ab, obwohl die Bilder fertig sind.
Heute wäre Ken im Alter dieses Theater-Rothkos, würde wie ein Georg Baselitz oder ein Neo Rauch auf die jungen, angeblich angepassten Künstler schimpfen und sich vielleicht zurücksehnen ins Atelier seines Meisters. Früher war eben alles immer besser – es sei denn, einem gehört die Zukunft. Oder die Unsterblichkeit. "Rot" ist weniger ein Stück über Kunst, sondern über das Vergehen von Zeit. Der Kölner Rothko wirkt dabei wie eine Parodie auf einen Künstlertypus, der fremd und verkannt durch die beschleunigte, digitale und globalisierte Welt stolpert. Doch folgt man dieser Figur für einen Abend ganz gerne.