Rohini Devasher in Berlin

Zivilisationen kommen und gehen, das Universum bleibt

Im Berliner Palais Populaire entfaltet die Künstlerin Rohini Devasher die faszinierende Welt der Astronomie. Eine selten gelungene Fusion aus Wissenschaft und Kunst, die fundamentale Fragen der Existenz berührt

Wer von den vielen tollen Terminen der Art Week im Besonderen oder vom Leben im Allgemeinen gestresst ist, kann im Palais Populaire in ganz andere Dimensionen von Raum und Zeit eintauchen. Rohini Devasher, Artists of the Year der Deutschen Bank, entfaltet in ihrer Ausstellung die faszinierende Welt der Astronomie, rührt an den ganz fundamentalen Fragen der Existenz, des Sehens, der Welterkennung: Was ist das Universum? Was ist unsere Position darin? Und was bedeutet das für das Verhältnis von menschlicher und nicht-menschlicher Natur? 

Die außerordentliche Intensität des Werks rührt dabei daher, dass sie beides, Wissenschaft wie Kunst, mit gleicher Leidenschaft durchdringt. Ausgebildet wurde die 1978 in Neu-Delhi geborene Devasher in Malerei und Druckgrafik, doch schon seit Ende der 90er-Jahre ist sie auch Mitglied der Amateur-Astronomen-Vereinigung in Delhi, erhielt 2012 ein Stipendium des Max-Planck-Instituts in Berlin und war 2023 Stipendiatin am Cern (Europäisches Zentrum für Kernforschung) in Genf und am International Centre for Theoretical Sciences in Bengaluru. 

Fundierte Wissenschaft – "Science with a big S", wie sie es im Gespräch ausdrückt –  ist das eine. Das andere ist, dass "Daten immer subjektiv" sind. Gerade jene, die sich wirklich auskennen, wissen: Am Ende aller naturwissenschaftlichen Modelle und Erklärungsversuche für das, was Himmelskörper und interstellare Materie im Universum so treiben, stehen dann doch eben nur ein großes staunendes Fragezeichen und pure Magie. "The strangeness and weirdness of it all", so nennt Devasher es. Ihre Vier-Kanal-Videoinstallation "One Hundred Thousand Suns" im Zentrum der Ausstellung entfaltet diese zauberhaften Seltsamkeiten. 

Dimensionen, die unsere Vorstellungskraft sprengen

Es bezieht sich auf die 100.000 Aufnahmen der Sonne, die seit über einem Jahrhundert im Observatorium von Kodaikanal in Südindien aufgenommen wurden, von früher Glasplattenfotografie bis zu Datensätzen der Nasa. Dazu laufen Gespräche mit Astrophysikern und Hobbyastronomen: Das Schwarz einer Sonnenfinsternis habe eine majestätische Schönheit, die mit nichts zu vergleichen sei. In der dunklen Totalität stoppe die Zeit. Es ist der Moment, an dem du plötzlich ein Bewusstsein über deine Position auf dem Planeten bekommst, sagt einer. Eine Astrophysikerin drückt es so aus: Zivilisationen kommen und gehen, aber das Universum bleibt. 

Die Zeit der Sterne überragt die Zeit des Menschen. Wenn wir Kinder als Wette auf eine bessere Zukunft kriegen, wenn wir politische Projekte in der Einheit von Legislaturperioden messen, dann erfordert das Universum ein Denken in Dimensionen, die unsere Vorstellungskraft sprengen. Und gerade darum geht es in Devashers Kunst: Unsere Vorstellungskraft hin zu einem solidarischen Zusammenleben zwischen Mensch und Umwelt, unserem winzigen Planten und dem riesigen Rest drumherum, zu erweitern. 

Impulse dafür könnte ein Gespräch zwischen Rohini Devasher, der Kuratorin Stephanie Rosenthal und Lorraine Daston, emeritierter Professorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, geben. Es findet am Sonntag, 15. September, um 16 Uhr im Palais Populaire in Mitte statt.