Seit Künstler sich von der Last befreit haben, mit ihrer Arbeit Wirklichkeit, Macht und Religion zu repräsentieren, haben sie ein neues Übel angezogen: den Verdacht auf Scharlatanerie. Zuspitzen lässt sich der seit der Moderne immer wieder vorgetragene Angriff auf einen Einwurf: „Das, was die da machen, kann ich doch auch.“
Der Schriftsteller Ingo Niermann, der in den vergangenen Jahren auch durch Aktionen auffiel, die sich als Kunst beschreiben ließen, hat eine Interviewreihe konzipiert, der diesen Impuls, dieses neidvolle „Das kann ich auch“, als Ausgang nimmt. Die 20 Folgen von „The Future of Art“, die jeweils sechs bis sieben Minuten lang sind, werden ab heute im Internet zu sehen sein und später als Buch mit DVD erscheinen.
Die Grundidee: Der 40-Jährige will ein Kunstwerk herstellen, ein makelloses, ein erfolgreiches, eines, das nicht den üblichen Objektcharakter besitzt und doch auch nicht reine Konzeptkunst ist. Dafür inszeniert er sich als eine Art Parzival, der auszieht, um das Geheimnis des Kunstbetriebs und des Erfolgs zu suchen.
Diese Rahmenhandlung spielt dann aber bei den Interviews, die Niermann auf seiner Reise führt, eine überraschend geringe Rolle. Auch wozu der Schriftsteller sich für seine Erkundungen den Künstler Erik Niedling an die Seite geholt hat, bleibt weitgehend schleierhaft. Denn herausgekommen ist eine recht konventionelle Interviewserie. Niermann trifft tatsächlich zentrale Figuren der Kunstwelt – unter anderem Damien Hirst, Hans Ulrich Obrist, Terence Koh, Olafur Eliasson, Thomas Bayrle oder Genesis Breyer P-Orridge –, plaudert mit ihnen aber über dies und das und alles Mögliche – aber wenig über seine fundamentalen Ausgangsfragen.
Ingo Niermann, so scheint es, kann sich nicht entscheiden, ob er die Schelmenrolle durchhalten soll oder ob er dann doch mit klugen Gedanken gefallen will. „The Future of Art“ erstarrt letztlich immer wieder vor der Macht der Funktionsträger. Das erkennt man etwa darin, wie die Kamera nach dem Interview mit Hirst kommentarlos für lange Sekunden auch dessen Galeristen Jay Jopling folgt, wie der ins Taxi steigt. Bei dieser Serie erschöpft sich der Blick allzu oft im Staunen.
Da helfen auch nicht die vielen Einstellungen auf den Interviewer, dessen schiefes Schmunzeln vermutlich Ironie signalisieren soll. Auch nicht die theatralischen Bilder von Niermann als Suchender, der in die Ferne schaut und sich im Schlamm wühlt – wahrscheinlich als Parodie auf die Qualen des sich verausgabenden Künstlers. Die Kunst und sogar ihr Betrieb sind dann doch natürlich größer und komplexer als dieser Autor, der sich – soweit reicht die Selbsterkenntnis – am Anfang der Reihe als Don Quijote bezeichnet. Die Mühlen, die dieser Ritter von der traurigen Gestalt angreift, zermahlen seine ungelenke Ironie im Laufe der einzelnen Folgen so langsam.
„The Future of Art“ kann in den kommenden Wochen hier angeschaut werden. Heute Abend wird die Veröffentlichung ab 19 Uhr im Gloria Berlin, Heidestraße 52, Gebäude 4a, in Berlin gefeiert