Roberto Burle Marx war ein moderner Renaissance-Künstler: Er sang Opern, malte, entwarf Schmuck und wurde berühmt für seine Gärten. Am bekanntesten ist seine monumentale Arbeit aus Pflastersteinen, die Promenade an der Copacabana in Rio de Janeiro: Ein als Ganzes nur aus großer Höhe wirkendes Band, das sich als ein mäanderndes Ornament unter das Stadtleben legt. Ein monumentales Kunstwerk, auf dem gelaufen, gefahren, gegessen und getrunken, getanzt und stehengeblieben wird.
Dieses Einnehmen einer anderen, ungewöhnlichen Perspektive ist es vermutlich, was Roberto Burle Marx sein Leben lang gemacht hat. 1909 als Sohn eines deutschen, jüdischen Vaters und einer brasilianischen, katholischen Mutter geboren, verbrachte er die 20er-Jahre in Berlin und beschloss zunächst, Maler zu werden. In Brasilien wurde er dann Landschaftsarchitekt, und auch hier veränderte seine Gabe, die Dinge aus einer gewissen Distanz zu sehen, alles bislang Dagewesene: Gartengestaltung in Brasilien orientierte sich in der Zeit stark an europäischen Vorbildern, sowohl was die symmetrischen Vorlieben anging als auch in den Vorstellungen davon, was gepflanzt werden sollte, nämlich aus Europa importierte Fauna.
Wie absurd das Beharren auf Symmetrie einerseits und auf fremde Pflanzen in einem von Dschungel durchdrungenen Land wie Brasilien ist, fiel Burle Marx offenbar als Erstem auf. Seine Pläne für Landschaften und Gärten glichen sofort seinen abstrakten Gemälden: amorphe ineinander liegende Formen, die aus der Vogelperspektive einer gewissen Ordnung zu gehorchen scheinen, die sich nicht sofort mitteilt. Im Ganzen ausgewogen und stimmig, aber im Detail nie vorhersehbar.
Dabei kostete ihn sein Rückbesinnen auf einheimische Pflanzen wie Zuckerrohr sogar einen Job: Die Nutzpflanze stand für Arbeiteraufstände, für Armut und politische Unruhen, für Repräsentationszwecke eignete sie sich nach Ansicht der Auftraggeber nicht.
Öffentliche Projekte bevorzugte Marx (dessen Vorfahren tatsächlich aus Trier stammten) den privaten Aufrägen. Gegenwärtig sind allerdings gerade Häuser mit Gärten von Burle Marx in Brasilien ein Statussymbol geworden, oft werden die Gebäude abgerissen und ersetzt, und der Garten wird das Hauptargument für die Immobilie.
Besonders geglückt sind die Kooperationen mit Oscar Niemeyer, von denen nicht alle verwirklicht wurden. In Minas Gerais im Südosten Brasiliens bauten sie zusammen ein Freizeitzentrum mit Hotel, künstlichem See, Kasino, Tanzhalle und Sportclub, und Niemeyers Gebäude und Marx' Gärten ergänzen sich kongenial. Auch sein Einsatz von Wasserflächen, um in der Spiegelung die Natur in die Architekturen einzubauen, korrespondiert mit Niemeyers Formensprache.
Die Ausstellung in der Deutsche Bank Kunsthalle zeigt, anders als ihre vorherige Station im Jewish Museum in New York, wenige Fotografien von realisierten Projekten, dafür eine reiche Auswahl an Originalplänen, Grafiken und Malereien. Sie korrespondieren mit Werken von Gegenwartskünstlern wie Veronika Kellndorfer, die ihre ganz eigene Ansicht der Copacabana ins Fenster der Kunsthalle einbaut, oder Dominique Gonzalez-Foerster, deren Film "Plagues" an Silvester den Brauch an der Copacabana zeigt, sich in weißer Kleidung an Mitternacht ins Meer zu begeben. Zum Filmen hatte sie eine erhöhte Position eingenommen, um die Struktur hinter dem Augenscheinlichen einzufangen, ganz im Sinne von Roberto Burle Marx.