Wer zu jemandem auf Arabisch "habibi" sagt, meint so etwas Ähnliches wie: mein Geliebter, mein Schatz. Wenn Amina Aziz es in ihrem Podcast "Rembrandt, habibi" ausspricht, klingt es allerdings ein bisschen wie: Komm mal her, mein Schätzchen! Und man weiß gleich: Diese Liebe verzichtet nicht auf Kritik.
Denn sie schaut auf Rembrandt mit heutigem, postkolonial informiertem Blick. Und sieht einen Künstler, der sich oder seine Modelle gern im Turban und mit prächtigen pseudo-orientalischen Kleidern malte, seine biblischen Szenen in phantasievoll ausgestatteten außereuropäischen Settings zeigte und damit den Geschmack seiner wohlhabenden Kunden bediente. Aber interessierte er sich wirklich für die Welten und Wissenssysteme, auf die er sich in diesen Gemälden bezog? Fehlanzeige, meint Aziz in ihrem Podcast.
"Rembrandt, habibi" wurde beauftragt vom Kunstmuseum Basel, um dort die große Ausstellung "Rembrandts Orient" zu begleiten, die sich, so ihr Untertitel, "Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts" zum Thema gemacht hat. Eine Ausstellung, die in Nicht-Corona-Zeiten das Zeug zum Blockbuster gehabt hätte, schließlich ist Rembrandt einer der großen Publikumslieblinge. Im Frühjahr 2021 ist die Schau im Museum Barberini in Potsdam zu sehen
Erfrischende Respektlosigkeit
Diesen Säulenheiligen nimmt sich Aziz mit erfrischender Respektlosigkeit vor und analysiert dabei, wie Rembrandt als Künstler im Zentrum eines brutal expandierenden Kolonialregimes ein seltsames, fiktionales Orient-Bild schafft. "Exotisierung bedeutet, etwas als fremd wahrzunehmen. Man findet das dann irgendwie interessant, aber nicht interessant genug, um es genauer kennenzulernen", sagt sie gegenüber Monopol.
Bei Rembrandt heißt das: Er malt sitzende Mullahs, benutzt Requisiten aus außereuropäischen Kulturen, aber transportiert kein Wissen über sie, sie sind purer Schmuck. Edward Said hat diese Praxis als "Orientalismus" beschrieben: Der Westen schafft sich ein geografisch unscharfes Bild vom "Orient" als Projektionsfläche für seine Vorstellungen und verschleiert damit letztlich sowohl seine Ignoranz als auch seine eigene Stellung als ausbeuterische Kolonialmacht.
In insgesamt fünf Folgen ordnet Aziz die Kunst und die Biografie Rembrandts in die Kolonialgeschichte ein, greift dann auch auf übergeordnete Themen wie die Restitutionsdebatte aus und stellt an den Betrieb und ihre Interviewpartner viele Fragen darüber, wie der Museumsbetrieb breitere Bevölkerungsschichten besser einbeziehen kann – beispielsweise auch Leute, die spontan eher keine Lust haben, Versatzstücke ihrer Herkunftskultur als Deko in Alten Meistern zu verehren.
Warum nur als Fußnote im digitalen Raum?
Es gehe keinesfalls darum, Rembrandt zu "canceln", meint Aziz: "Man kann durchaus anerkennen, was Rembrandt geleistet hat für die Kunst und schätzen, was wir in seinen Bildern entdecken können. Aber gleichzeitig kann man darauf hinweisen, dass er auch problematische Bilder reproduziert hat. Dass Holland damals eine der mächtigsten Kolonialmächte war, hat ihn nicht interessiert."
Im Podcast verweist Aziz auf die Debatte in den Niederlanden, wo mittlerweile der Begriff des "Goldenen Zeitalters" von manchen Museen schlicht durch die normale Zeitmarkierung "17. Jahrhundert" ersetzt wird, weil diese Zeit der Eroberungen für die Opfer des holländischen Kolonialismus eben alles andere als golden war. So weit ist das Kunstmuseum Basel noch nicht. Und noch schöner wäre natürlich, wenn die Argumente für eine andere Kontextualisierung des künstlerischen Erbes auch bei der Ausstellungskonzeption noch intensiver einbezogen würde und nicht nur wie eine Art Fußnote im digitalen Raum ihren Platz fänden.
Aber immerhin: Ein Anfang ist gemacht. Und wie Aziz ihren Rembrandt und mit ihm den Museumsbetrieb umschleicht, attackiert, auseinandernimmt und wieder zusammensetzt, wie sie dabei eine Sprache findet, die ihr Thema verständlich und zugänglich macht, ohne ranschmeißerisch und unterkomplex zu werden, ist unbedingt hörenswert.