Nachdem in einem Offenen Brief seit vergangenem Freitag bereits mehr als 3000 Unterzeichenende eine Rücknahme der Regelung gefordert haben, hat sich am heutigen Montag auch der Rat für die Künste Berlin in einem Appell zu Wort gemeldet und eine Überarbeitung der Klausel gefordert.
Die Interessenvertretung Berliner künstlerischer und kultureller Institutionen, der freien Szene sowie der Berliner Kulturwirtschaft begrüßt in dem Schreiben ausdrücklich Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus sowie Maßnahmen gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus. Jedoch verfehle die aktuelle Form der neuen Antidiskriminierungsklausel des Berliner Senats, die öffentliche Zuwendungen zukünftig an die Bedingung knüpft, dass Geförderte einer sogenannten Antidiskriminierungsklausel zustimmen, die angestrebten Ziele. Die Klausel "kollidiert mit dem Grundgesetz und bringt eine mannigfaltige Rechtsunsicherheit, zweifelhafte Praktikabilität und die Gefahr der Diskriminierung mit sich."
Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Verbindung der Klausel mit der sogenannten "IHRA-Definition von Antisemitismus". Diese Definition sei für Monitoring-Zwecke entworfen worden und als Erkenntnisinstrument für israelbezogenen Antisemitismus gut geeignet, sie sei jedoch "nie für eine rechtsverbindliche Verwendung in der Behördenpraxis bestimmt" gewesen. "Es ist zu befürchten, dass Antisemitismusbekämpfung damit auf eine einzige, nicht für diesen Zweck verfasste Definition enggeführt wird. Damit wird nicht nur die Komplexität des Antisemitismus unterschätzt, sondern zudem das Ziel der Antidiskriminierung gefährdet", heißt es in dem Appell.
Klausel gefährde den Kreativstandort Berlin
Die neue Klausel gefährde Grundrechte der Meinungs- und Kunstfreiheit, da mit ihr "ein gefährlicher Präzedenzfall der Gesinnungsprüfung von Einzelpersonen geschaffen" werde. Wegen ihrer mangelnden Rechtssicherheit sähen sich Berliner Behörden und Kulturinstitutionen im Zweifel mit Klageverfahren und Gerichtskosten konfrontiert. Außerdem gefährde die Klausel die internationale Zusammenarbeit und Attraktivität des Kreativstandortes Berlin.
Vor diesem Hintergrund ruft der Rat der Künste den Berliner Senat zur Überarbeitung der Antidiskriminierungsstrategie im "gemeinsamen Dialog" auf und macht Vorschläge für alternative Ansätze, "die kein konkurrierendes Spannungsverhältnis zum Grundgesetz entstehen lassen". Dazu zählen "Kompetenzentwicklung und Know-How-Aufbau unter Einbeziehung verschiedener Antisemitismus-Definitionen und vielfältiger jüdischer Perspektiven", "die Stärkung der Antidiskriminierungsstrukturen an Kulturinstitutionen und in Kulturverbänden sowie der Ausbau von Schulungen und Beratungen zur Sensibilisierung für Antisemitismus und Rassismus".
Genannt werden außerdem die Erweiterung der Angebote kultureller Bildung, um "neue Konzepte gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus in der aktiven Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen" zu ermöglichen, sowie die Entwicklung neuer Dialogformate, "die die Gedenk- und Erinnerungskultur Deutschlands als Migrationsgesellschaft etablieren und Bürger*innen, die nicht den historischen Bezug zum Nationalsozialismus teilen, abbilden und aktiv einbinden."
Zentralrat begrüßt Klausel
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Antisemitismus-Klausel hingegen begrüßt. "Die Klausel der Senatsverwaltung für Kultur Berlin gegen Antidiskriminierung bei Fördergeldern setzt neue Maßstäbe und reagiert damit auch auf die Erfahrungen der letzten Jahre", sagte der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, am Montag in einer Mitteilung.
"Gerade antisemitische Darstellungen in der Kunst wurden viel zu wenig erkannt, benannt und kritisiert", so Schuster. Wirkliche Konsequenzen seien meist ausgeblieben. "Berlin wird durch die Antidiskriminierungsklausel seinem Vorbildcharakter als wichtigster deutscher Kunst- und Kulturstandort gerecht." Mit öffentlichen Geldern dürften keine Darstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder Ausgrenzung gefördert werden. Schuster sprach mit Blick auf die IHRA-Definition von einem "anerkannten Standard, um Antisemitismus in all seinen Formen zu bekämpfen".