Jetzt, da man durchaus das Gefühl haben kann, Berlin schüfe sich ab, weil ja alle paar Minuten eine weitere identitätsstiftende Institution vermeldet, sie werde sich nach den geplanten Kürzungen des Kulturetats nicht mehr halten können und man schon Schinkel Pavillon und Schaubühne über den Jordan gehen sieht, da kam es wirklich sehr gelegen: das alte Berlin-Gefühl, diese Breitbeinigkeit von Berlin-Mitte, einem Stadtteil, in dem der Cremant immer etwas zu warm ist, das am vorletzten November-Wochenende endlich mal wieder zurückkam.
Und zwar nach Charlottenburg. Denn dort wurde das Deutsche Design Museum eröffnet. Auf sehr hellem und weichem Teppichboden, der in sehr großen Räumen verlegt wurde, in denen die Heizungen so viel Wärme ausstrahlten, als habe es die Energiekrise nie gegeben, da wurden also Designgegenstände ausgestellt, die den Raum beleuchten, zum Sitzen einladen oder aber auch das Verstauen von Eigentum ermöglichen. DJs legten auf, die schlaueste deutsche Schriftstellerin, Helene Hegemann, sprach die Begrüßungsworte, und im Museumshop gab es T-Shirts zu kaufen. Aber nicht nur T-Shirts, auch Bücher konnte man erstehen. Eines, nämlich das neueste vom Museumsgründer und dem einzigen Ausstellenden, Rafael Horzon. Unternehmer, Designer, Autor und nun eben auch Museumsbetreiber.
Für die wenigen, die ihn nicht kennen: Horzon, um die 50 Jahre alt, ist eine zentrale Figur der Kreativwirtschaft in Berlin. Mit Christian Kracht gründete er in den 1990er-Jahren die Wissenschaftsakademie Berlin. In der Torstraße eröffnete er einen Möbelladen, in dem er maßgefertigte Regale feilbietet, und bei Suhrkamp veröffentlichte er diverse Bücher, zum Beispiel "Das weisse Buch". Jetzt erscheint sein neues Buch, "Manifest der Neuen Wirklichkeit“ und für das hat er nicht nur eigens den "Deutschen Buchverlag" gegründet, sondern eben auch das Deutsche Design Museum, in dem er das Buch vorstellte, ein bisschen daraus las und den sehr illustren Vernissage-Gästen verkaufte.
Und weil es seit 2011 die Stiftung Deutsches Design Museum in Frankfurt gibt, aber bisher kein Museum dazu, und weil in Horzons Museum zur Eröffnung nur Arbeiten von ihm zu sehen waren, ist das natürlich eine Provokation, eine lustige Idee, ein feiner Stupser und eine gute Geschichte. Und ja, auch Kunst.
Ort der kreativen Bohème
Da ist zum Beispiel seine Serie aus Spülbecken, seine Lampen aus Toastern oder Fritteusen, die mit Ringleuchten versehen sind, da sind die Wanddekorationen aus Baustoffen, eine frühere Arbeit von Horzon, ein Sessel. Und wieso liegt hier überall dieser weiche Teppich? Auch einen Diaprojektor konnte man bewundern, hat man ja schon lange nicht mehr gesehen. Was darauf projiziert wurde, ein Schriftstück, konnte man kaum erkennen, denn es waren alle da, ständig musste man sich umarmen und zu aktuellen Konflikten verhalten. Und dass dieses eine Spülbecken aus seiner Zeigevorrichtung gefallen war, das war doch sicher mit Absicht so, oder? Genial!
Rafael Horzon jedenfalls hat es mit dem Deutschen Design Museum geschafft, der Stadt einen neuen Ort der kreativen Bohème zu schenken, in einer Zeit, in der längst keiner mehr kreative Bohème sagt. Ein Ort, der die Zukunft der Berliner, vielleicht sogar der bundesdeutschen Kultur visionär vorhersieht, denn der Berliner Kultursenator, dessen Parteifreunde immer wieder seine Ambitionen, Claudia Roth abzulösen, an die Presse lancieren, setzt in Zukunft auf privat finanzierte Kulturorte wie dieses Museum.
Man sollte also in die Uhlandstraße fahren und sich die Zukunft anschauen. Auf der Eröffnung hörte man, der bekannte Schriftsteller Timon Karl Kaleyta ("Heilung“) gebe dort in Zukunft Führungen, aber was ist heute schon Wirklichkeit, und was nicht? Was ist ernst? Nun, Horzons Design ist in seiner Unernsthaftigkeit natürlich so ernst, wie es Design selten ist.