Messebericht von der Paris+

Nur keine Experimente

Perspektivisch soll die neue Paris+ einmal an die Muttermesse Art Basel heranreichen. Das Geschäft läuft bereits blendend, doch wirkt die erste Ausgabe in der französischen Hauptstadt seltsam aus der Zeit gefallen. Ein Rundgang

Gleich am Eingang der Paris+ par Art Basel denkt man kurz, einem Geist gegenüber zu stehen. Eine Frau in gepunktetem Gesicht mit seltsam leerem Gesichtsausdruck steht dort unbeweglich in eine Koje voller – ja, Handtaschen. Aber die Gestalt ist nur eine Puppe, die lebensechte Nachbildung der Künstlerin Yayoi Kusama, die der Modekonzern Louis Vuitton für seine Schaufensterdekoration anfertigen ließ.

Kusama hat schon einmal mit dem Modekonzern bei der Gestaltung von Handtaschen und anderen Kollektionsstücken zusammengearbeitet, die nächste Kollaboration ist für 2023 angekündigt. Dass Louis Vuitton seine vielen Kunst-Taschen auf der Paris+ präsentiert, ist ein sinnvoller Match. Ansonsten scheint die Verbindung der Messe mit der mächtigen Fashion-Industrie der Stadt noch nicht recht in Gang gekommen zu sein – so wie überhaupt die Neuerungen im Grand Palais Ephemère noch eher bescheiden sind.

Im Januar dieses Jahres hatte die Art Basel den Zuschlag für die Pariser Messe erhalten und die angestammte Fiac von ihrem traditionsreichen Platz im Messekalender verdrängt. Es mag an der extrem kurzen Vorbereitungszeit liegen, dass die Art Basel die Pariser Messe nicht neu erfunden hat, im Gegenteil. Die temporäre Konstruktion des Grand Palais Ephemère sieht von innen etwas schicker aus, aber dass der vordere Teil stickig und der hintere kalt ist, konnte zunächst wohl niemand ändern.

Genau wie früher bei der Fiac

Die Aufteilung der Sektionen ist leicht verändert – die ganz jungen Galerien sind etwas nach vorne gerückt, aber davon abgesehen findet man sich gleich zurecht: Platzhirsche mit Bluechips gleich am Eingang, nach hinten wird es tendenziell jünger. Spezielle Projekte oder kuratierte Sektionen gibt es im Messezelt nicht, das Programm mit Skulpturen im öffentlichen Raum "Sites" besteht hauptsachlich darin, dass ein paar Skulpturen im Parc des Tuileries herumstehen, genau wie früher bei der Fiac. Die Paris+ konzentriert sich vorerst auf ihr Kerngeschäft: Kunst verkaufen.

Überraschend ist, dass auch die großen Player sich auf vergleichsweise kleinen Messekojen beschränken müssen – der Grand Palais Ephemère hat eben nur begrenzten Raum. 156 Galerien konnten zugelassen werden, und man glaubt dem Art Basel Chef Marc Spiegler, wenn er sagt, dass die Zahl der Bewerbungen beeindruckend gewesen sei. Bei der ersten Ausgabe des neuen Ablegers der wichtigsten Messe der Welt will man eben dabei sein.

Was die Käuferschaft angeht, wurden die Galerien, die es geschafft haben, nicht enttäuscht. Das VIP-System der Art Basel funktionierte tadellos, nicht nur die französische Sammlerschaft, auch internationale Gäste waren da, in größerer Zahl, als es die Fiac vorher auf die Beine stellen konnte. Das Angebot der Galerien war allerdings in weiten Teilen sehr auf Sicherheit bedacht: Nur keine Experimente.

Ein "Weiter so" ist also doch möglich?

Bei den großen Playern dominierten die Bluechips, und der Bericht, den die Messe am Ende des ersten Tages herausbrachte, liest sich entsprechend. Hauser & Wirth vermeldete den Verkauf des Gemäldes "The Dream" (2022) von George Condo für 2,65 Millionen US-Dollar und eines "Bruise Paintings" von Rashid Johnson für 1 Million US-Dollar, Xavier Hufkens verkaufte eine Glasskulptur von Roni Horn für 1,3 Millionen US-Dollar, Luhring Augustine ein Aluminiumbild aus dem Jahr 1997 von Christopher Wool für 1,5 Millionen Dollar, Kamel Mennour eine Bronzeskulptur von Giacometti für 1,45 Millionen Euro, Sprüth Magers ebenfalls ein Gemälde von George Condo für 1,55 Millionen US-Dollar, und David Zwirner scheint mit dem Gemälde "Border" von Joan Mitchell zum Preis von 4,5 Millionen Euro den teuersten Deal gelandet zu haben.

Perspektivisch soll die Messe in Paris an die in Basel heranreichen, so der Plan der Art Basel – in dieser Hinsicht war der Beginn vielversprechend. Was allerdings seltsam anmutet, ist die Abwesenheit dessen, was man vielleicht richtige Welt nennen könnte. Weder die Pandemie noch der Ukraine-Krieg noch die Klimakatastrophe noch die Energiekrise haben erkennbare Spuren hinterlassen, und auch der rasante Umbau der Kunstwelt in Richtung mehr Diversität ist in den Programmen der Galerien hier kaum spürbar – abgesehen von dem fulminanten Auftritt von Mariane Ibrahim, die am ersten Tag bereits nach einigen Stunden ihre gesamte Koje mit vor allem gegenständlicher Malerei von Schwarzen Künstlerinnen und Künstlern einmal ausverkauft hatte.

Selten hat sich auch der Kunstmarkt so weit von dem aktuellen Kunstgeschehen in den Institutionen und Biennalen entfernt. Dass die Künstlerinnen und Künstler der Documenta Fifteen ihren Weg auf die Messe finden würden, war nicht zu erwarten und wäre auch abwegig gewesen. Dass aber auch die Entwicklungen der Venedig-Biennale so wenig Resonanz finden würden, überrascht dann doch – nur Werke von Malgorzata Mirga-Tas fallen am Stand der Foksal Gallery Foundation ins Auge. Aktivistische Kunst, politische Kunst, die ganze Debatte darum, dass ein Weiter so nicht möglich ist – alles kein Thema. Businessmäßig funktioniert die Paris+ par Art Basel wie geschmiert. Doch gerade das wirkt seltsam aus der Zeit gefallen.

Über die Paris+ berichtete Elke Buhr auch bei Detektor.fm. Sie können den Beitrag hier nachhören: