Pamela Miller, 15 Jahre alt, aus Reseda, Kalifornien, ist besessen. Die Diagnose: Ein klarer Fall von Beatlemania. Es ist das Jahr 1964, und die Euphorie um die vier Pilzköpfe aus Liverpool erreicht ihren Höhepunkt. 60 Jahre später dann ein Treffen über Zoom. Es ist ein Freitagabend, und Pamela Miller heißt bereits seit knapp einem halben Jahrhundert Pamela Des Barres. Unter diesem Namen hat sie mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den New York Times Bestseller "I'm With the Band: Confessions Of A Groupie".
Ganze Kapitel des 1967 veröffentlichten Buches widmen sich ihrer Beatles-Begeisterung und ihrer Liebe zu Paul McCartney. Tagebucheinträge und dem Musiker gewidmete Gedichte füllen die Seiten, darunter die Zeilen "I stare at his face upon my wall / I know I love him best of all" ("Ich starre auf sein Gesicht an meiner Wand / Ich weiß, dass ich ihn am meisten liebe").
Mit einem kurzen Schwenk ihrer Handykamera gibt Pamela Des Barres den Blick frei auf ihr Wohnzimmer. Die Wände sind voll behangen, die Möbel bunt, überall tummeln sich die Vintage-Schätze. Vor allem Schmuck, aber auch Kleider aus den 40er- bis 70er-Jahren. "Ist das nicht der absolute Wahnsinn?", sagt Pamela Des Barres. "Ich bin eine Vintage-Fanatikerin. Ich reise durch das ganze Land und die Welt, um meine Schreibworkshops zu geben, und dann gehe ich in Secondhand-Läden und Antiquitätengeschäfte, wo ich diese unglaublichen Dinge finde."
"Es ist wie eine Schatzsuche"
Bereits in ihrer Kindheit nimmt ihr Vater sie mit zu Tauschbörsen und Hinterhof-Flohmärkten; er prägt ihre bis heute andauernde Liebe zu Fundstücken vergangener Jahrzehnte. "Ich liebte das schon damals. Es ist wie eine Schatzsuche."
Die Vintage-Schätze verkauft sie heute bei Zoom-Auktionen und privaten Flohmärkten, die sie "Miss Pamela's Lovingly Curated Clothing Sales" nennt und zu denen junge Frauen aus aller Welt anreisen. Ich frage, ob sie noch immer die bunt bestickten Hemden fertigt, mit denen sie Ende der 1960er-Jahre unter anderem den Byrds-Bassisten Chris Hillman und Gram Parsons von den Flying Burrito Brothers beschenkte.
"Nein, damit habe ich schon vor langer Zeit aufgehört", antwortet sie. "Zu viel Arbeit. Endlose Stunden, die ich allein schon mit der Stickerei ihrer Initialen verbrachte. Die Jungs wussten, wann ich mich in sie verliebt hatte. Die Hemden entstanden aus purer Liebe zu ihnen."
"Der Typ ist der personifizierte Penis"
Des Barres wohnt noch immer in Los Angeles. Mitte der 1960er-Jahre, als die Hippies sich in San Francisco beim "Summer of Love" versammeln, bildet die südlich gelegene Stadt eine Hochburg des Rock. Im Whiskey a Go-Go, dem geschichtsträchtigen Rockclub am Sunset Strip, treten The Doors, Alice Cooper und Frank Zappas Mothers of Invention auf. Und im gesamten Viertel von Laurel Canyon tummeln sich Bands wie Love, The Who, Canned Heat, The Byrds, Buffalo Springfield und The Monkees.
Im April und Mai 1965 sind auch die Rolling Stones zum ersten Mal in den USA auf Tour. Sie gelten als "Anti-Beatles", unberechenbar, wild. Die "Fab Four" hingegen verkörpern damals noch die perfekten Schwiegersöhne, sorgsam gescheitelt, in bravem Anzug. Und Mick Jagger hat Paul McCartney einige Qualitäten voraus, das merkt auch die junge Pamela Miller. "Mein Gott, der Typ ist der personifizierte Penis!", schreibt sie in ihr Tagebuch. Sie malt sein bestes Stück sogar, in Pink- und Rottönen, und reicht es als abstraktes Kunstprojekt bei ihrem Lehrer ein. Eine glatte Eins.
In "I'm With the Band" gewinnt man den Eindruck, dass es der Mai 1965 ist, der Pamela Des Barres Leben für immer verändert. Die Band um Mick Jagger erreicht Hollywood. Und am selben Tag wird Pamela für ihre extravagante Outfitwahl von der Schule geworfen. "Ich trug ein blaues, selbstgenähtes Kleid", erinnert sie sich. "Mit Details aus Bettspitze. Dazu weiße Spitzenstrümpfe, die damals noch niemand trug. Sie haben mich aus der Schule geworfen, weil das Kleid zu kurz war. Und weil sie meinten, ich sähe absurd aus."
Später wird Pamela Des Barres bekannt für ihren ikonischen Modesinn. Und für ihr Zusammensein mit den berühmtesten Musikern der Rockgeschichte. Sie sieht The Doors im Bido Lido's (und knutscht mit Jim Morrison im Backstagebereich des Hullaballo Clubs), tanzt mit Jimi Hendrix zu "Foxy Lady" und mit Donovan vor seinem Kaminfeuer.
Sie hat Sex mit Mick Jagger und Jimmy Page, mit dem sie einige Jahre zusammen ist. Und Keith Moon, Schlagzeuger von The Who. Und Waylon Jennings. Man könnte die Liste ewig weiterführen. In jedem Fall stehen auf ihr einige der meistverehrten Männer ihrer Zeit.
Artikel nennen Pamela Des Barres heute die "Königin der Groupies". Aber sie benutzt den Begriff auch wie selbstverständlich für sich selbst: Ihre Memoiren betitelt sie "Confessions of a Groupie". Was hat es mit dem Begriff also auf sich? "Er bedeutet Liebe", sagt Pamela Des Barres. "Das Wort ist verfälscht, ruiniert und zerstört worden, weil die Leute nicht verstehen, was es bedeutet. Es ist ein Synonym für die Liebe zur Musik und zu den Menschen, die sie machen. Das ist alles."
Baby-Groupies: Lori Mattix und Sable Starr
Trotzdem, der Begriff hat heutzutage auch eine negative Konnotation. Insbesondere, wenn man an die Groupie-Generation nach Pamela Des Barres denkt. Die "Baby Groupies" Sable Starr und Lori Mattix, genannt Lori Lightning, sind gerade einmal zwölf und 13 Jahre alt, als sie nachts die Clubs am Sunset Strip aufsuchen.
Iggy Pop, der sowohl mit Sable Starr, als auch mit ihrer jüngeren Schwester Corel Shields eine Beziehung hat, widmet ihr 1996 den Song "Look Away": "I slept with Sable when she was 13 / Her parents were too rich to do anything" ("Ich habe mit Sable geschlafen, als sie 13 war / Ihre Eltern waren zu reich, um irgendetwas dagegen zu tun").
Jimmy Page hält seine Beziehung zu der minderjährigen Lori Mattix jahrelang geheim. Heute sind sie und Pamela Des Barres eng befreundet, treten Seite an Seite in dem Dokumentarfilm "Let's Spend The Night Together" auf. Aber über diese Zeit sagt sie: "Als diese jungen Mädchen auftauchten, haben sie mich einfach nur angekotzt."
"Zwingend notwendiges Element des Bizarren"
Ihre Seelenschwestern erkennt Pamela Des Barres in Linda Sue Parker ("Miss Sparky"), die sie bereits aus ihrer High-School-Zeit kennt, Lucy Offerall ("Miss Lucy"), Sandra Lynn Rowe ("Miss Sandra") und Christine Frka ("Miss Christine"). Als Fünfer-Gespann gehen sie aus, besuchen Partys, Konzerte, Love-Ins, Clubs. Und sie treten auch selbst auf. Als exzentrisch gekleidete Tanztruppe stehen sie als Laurel Canyon Ballet Company gemeinsam mit Bands wie Love und den Grassroots auf der Bühne.
Mit "Miss Mercy" und der blonden "Miss Cynderella" ist das Gespann schließlich komplett. Insbesondere Mercy Fontenot ist es, die der Gruppe mit ihrer Theda Bara-esken Ausstrahlung, den vielen Ohrringen und den dick mit Kajal umrandeten Augen ein "zwingend notwendiges" Element des Bizarren verleiht. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2020 pflegen sie und Pamela Des Barres eine enge Freundschaft.
Sieht man sich heute Fotos der Gruppe an, weiß man kaum, wo man zuerst hinschauen soll. Bunte Tücher und Tischdecken um Kopf, Hals oder Hüften gewickelt (gern auch alles gleichzeitig und möglichst viele), schäbige Seidenblumen, paillettenglitzernde Wangen, Federboas, Négligé-Kleider und über andere Kleidungsstücke gestülpte Höschen, Make-up-Looks, die wie bravere Paul-Stanley-Versionen anmuten. Und nicht zuletzt: hier und da ein in Szene gesetzter, seidig glänzender Regenschirm. Von "weniger ist mehr" kann hier definitiv nicht die Rede sein.
Zusammen bildet das Septett ein Ensemble von berauschendem Eklektizismus. "Ich sah so anders aus als alle anderen um mich herum, bis ich die Mädchen traf, die später die GTOs wurden", sagt Pamela Des Barres. "Sie hatten auch ihren eigenen, einzigartigen Stil. Und wir alle liebten Vintage-Sachen. Wir gingen in diesen Laden namens The Glass Farmhouse. Das war der einzige Vintage-Laden in Los Angeles. Wir sind dorthin getrampt und haben alle Rocker, die wir kannten, mitgenommen, um ihnen Outfits zu verpassen."
Die Gruppe begeistert auch den Musiker und Produzenten Frank Zappa. Eines Abends statten sie ihm in voller Montur einen Besuch in seinem Haus in Laurel Canyon ab: Mit Plastik-Lätzchen um den Hals marschieren sie auf, riesige Lutscher in den Händen, die Haare zu Zöpfen hochgesteckt und übergroße, von Sicherheitsnadeln zusammengehaltene Windeln an den zarten Körpern. Frank Zappa ist hin und weg. An diesem Abend werden aus der ursprünglichen Laurel Canyon Ballet Company die GTOs, eine Abkürzung, die vieles bedeuten kann: Girls Together Outrageously, Girls Together Only, Girls Together Overtly, Girls Together Outlandishly.
Trotz des schier endlosen Potenzials hat sich bis heute erstere Variante durchgesetzt. Am 10. August 1968, einen Tag nach dem ersten Auftritt der Gruppe im Whiskey a Go-Go, schreibt Pamela Des Barres in ihr Tagebuch: "Unser Coming-out war großartig! Wir hatten zwei Nummern und bekamen STANDING OVATIONS! Rodney sagte: Ihr schreit geradezu nach Erfolg. Und das tun wir! Die GTOs sind auf dem Vormarsch! Alle sagten, Mick Jagger sei da gewesen. Kannst du dir das vorstellen?? Dass Mick mir zusieht??"
Einziges Album mit Frank Zappa am Tamburin
Frank Zappa motiviert die Mädchen, an ihren eigenen Songs zu arbeiten. Mit geballter Girl-Power und innerhalb von nur zweier Monaten stellt die bis dato auf dem Gebiet des Songwritings eher unerfahrene Gruppe ganze 17 Songs und innovative Spoken-Word-Beiträge fertig, die später auf dem ersten (und einzigen) Album "Permanent Damage" veröffentlicht werden. Das Label ist Frank Zappas eigenes, das 1968 gegründete Bizarre Records. Passender hätte man es wohl kaum treffen können.
"I'm in Love with the Ooo-Ooo Man", "I Have a Paintbrush in My Hand to Color a Triangle" und "Miss Pamela and Miss Sparky discuss stuffed bras and some of their early gym class experiences" heißen die Tracks – und die Beteiligung kann sich sehen lassen: Ein junger Rod Stewart, Ry Cooder und Jeff Beck an den Gitarren, Cynthia Plaster Caster und Rodney Bingenheimer, die die gesprochenen Passagen unterstützen, sowie Frank Zappa selbst am Tamburin.
Wenn man sich das Album heute anhört und der Gesang beim ersten Song einsetzt, Miss Cynderellas "The Eureka Springs Garbage Lady", zuckt man möglicherweise kurz zusammen. Irgendwie fühlt man sich an einen ziemlich schiefen Mädchenchor erinnert. Oder an eine dieser Singstar-Partys der 2000er-Jahre.
Aber auch wenn die Stimmen der GTOs keine engelsgleichen Qualitäten aufweisen, so ist der Rock-Sound doch bis heute faszinierend einzigartig. Irgendwo zwischen Psychedelic und Art Rock, experimentell, authentisch, obskur, bizarr. In seiner Autobiografie "Me, Alice" schreibt Alice Cooper 1976 über die GTOs: "Sie hatten eine Rockband gegründet, aber sie waren eher ein Mixed-Media-Event als Musikerinnen. Die Leute sind einfach auf sie abgefahren."
Trotzdem tritt die Band nur wenige Male live auf. Nach und nach zerstreuen sich die Biografien: Unstimmigkeiten unter den GTOs, was die Kommerzialität der Gruppe betrifft, aber auch Drogenprobleme mancher Mädchen tragen dazu bei, dass die Band nur bis 1970 in ihrer ursprünglichen Konstellation bestehen bleibt.
"Wir waren eine der ersten rein weiblichen Rockbands der Musikgeschichte."
"Eigentlich waren wir Performance-Künstlerinnen, bevor es diesen Begriff überhaupt gab", sagt Pamela Des Barres. "Wir hatten ein paar Auftritte. Wir standen auf der Bühne des Shrine Auditorium, das war eine riesengroße Show. Manche der Mädchen kamen in Schwierigkeiten, und Frank drohte, die Platte nicht rauszubringen. Aber wir haben etwas erreicht. Wir waren eine der ersten rein weiblichen Rockbands der Musikgeschichte."
Und damit haben die sieben Seelenschwestern in der Tat Türen geöffnet. Sie waren Ikonen, Vorreiterinnen und Vorbilder für spätere Girl-Groups, auch wenn sie heute nur selten im selben Atemzug wie die männlichen Bands ihrer Zeit genannt werden.
Eins bleibt zum Abschluss unseres Gesprächs noch offen. Ich frage Pamela Des Barres, was sie von dem neuen Beatles-Song "Now and Then" hält, der mithilfe von KI die Stimmen aller vier Bandmitglieder wieder in die Gegenwart katapultiert. Sie hält kurz inne. "Ich glaube, mein Sohn hört ihn sich gerade wieder an. Ich liebe den Song, er ist einfach magisch. Das Video ist fast unerträglich, besonders für jemanden, der die Beatlemania miterlebt hat. Ich habe mir beim Ansehen die Augen aus dem Kopf geweint. Wir haben John und George einfach viel zu früh verloren. Aber es ist ein Segen, dass Paul und Ringo noch unter uns sind."