Bisher sei das Bild "Rue triste" (Trostlose Straße) auf das Jahr 1928 datiert worden, doch eine neue Untersuchung lege nahe, dass das Bild erst 1938/39 entstanden sei, teilte das Zentrum für verfolgte Künste Solingen mit, in dem sich das Werk als Dauerleihgabe befindet.
Eine Röntgenaufnahme des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der Technischen Hochschule Köln habe zutage gefördert, dass sich unter dem Gemälde eine später übermalte ältere Darstellung befinde. Dieses Bild entspreche zwei erhaltenen Vorzeichnungen Nussbaums aus der Periode 1938/39, die Menschen in einer Ruinenlandschaft zeigen. Die Zeichnungen seien schon in Brüssel entstanden, wohin Nussbaum Mitte der 1930er-Jahre vor den Nazis geflohen war.
Von diesen Vorzeichnungen habe man bisher angenommen, dass es sich um Darstellungen des Kriegsbeginns im September 1939 handele. Jetzt sei jedoch klar, dass dies nicht sein könne, da das Bild "Rue Triste" - also die spätere Übermalung - schon am 11. Februar 1939 in der niederländischen Zeitung "Nieuwe Rotterdamse Courant" besprochen worden sei. Das einzige Ereignis, das für das enge Zeitfenster infrage komme, sei die Pogromnacht, sagte der Direktor des Solinger Museums, Jürgen Joseph Kaumkötter, der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt kein anderes Ereignis, mit dem man es verbinden kann." Damit wäre es eine der frühesten Darstellungen der Pogromnacht, in der die Nationalsozialisten mit organisiertem Terror gegen die jüdische Bevölkerung vorgingen.
Der aus Osnabrück stammende Nussbaum wurde 1944 als Jude im von Nazi-Deutschland besetzten Brüssel festgenommen und zusammen mit seiner Frau Felka Platek mit dem letzten Deportatationszug aus Belgien in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert. Sein bekanntestes Werk ist das 1943 entstandene "Selbstbildnis mit Judenpass", das als eine der beeindruckendsten künstlerischen Darstellungen des Holocaust gilt.