Unterwegs in Südwestengland

Notting Hill mit Kühen

Jenseits der royalen Hochzeit: Monopol-Redakteur Daniel Völzke auf einem Pfingstausflug in die südenglische Landidylle, wo nicht nur Hauser & Wirth Kunst zeigt

Jetzt hat Harry doch hetero geheiratet. 2011, kurz vor der Hochzeit seines Bruders, sagte uns das britische Künstlerduo Gilbert & George: "Wir freuen uns schon sehr darauf, zur Coming-out-Party von Prinz Harry eingeladen zu werden. Wir wissen nicht, ob sie in Westminster Abbey stattfinden wird. Aber es wird sicher ein rauschendes Fest." Von wegen!

Schön ist es trotzdem, denn während dieses TV-Ereignisses sind die Straßen leergefegt wie das London im Zombiekracher "28 Days Later", vom Trafalgar Square fährt man in nur zwei Stunden zum New Art Center in der Nähe von Salisbury. Die 1958 in London gegründete Galerie zeigt hier in einem Haus aus dem 19. Jahrhundert, in zwei Neubauten des Architekten Stephen Marshall und einem Park, in dem man gerne mit Jane-Austen-Figuren über Vorzüge und Grausamkeiten des Ehelebens plaudern würde, Kunstwerke, die allesamt zum Verkauf stehen.

Wir laufen durch den ummauerten Garten, hinaus auf den für britische Verhältnisse zu hohen Rasen, zu den Hasenskulpturen von Barry Flanagan und einem Gorilla von Angus Fairhurst, der sich narzissgleich im Spiegel betrachtet. Von einem bühnenartigen Konstrukt des Londoner Büros Practice Architecture hat man einen atemberaubenden Blick auf die weite Weide- und Heidelandschaft.

Von dieser Beobachterposition aus können wir auch kurz durchzählen: Golly gosh, gerade mal 20 Prozent der 59 Skulpturen im Garten stammen von Frauen, aber nur, wenn man Practice Architecture einrechnet, weil von Anthony Gormleys Tochter Paloma mitbegründet. Ein ziemliches dickfest! Dass dieses Ungleichgewicht der Galerie, die den Nachlass von Barbara Hepworth betreut, nicht auffällt! Die britische Bildhauerin sah sich zwar selbst nicht als Feministin, musste aber als Frau für ihren Platz in der Bildhauerei kämpfen.

Noch eine Stunde Autofahrt, vorbei an Stonehenge nach Bruton in Somerset, wo die Galerie Hauser & Wirth seit 2014 eine Niederlassung auf einem ehemaligen Bauernhof betreibt. In der Roth Bar & Grill, ein von Dieter Roths Sohn Björn und Enkel Oddur konzipiertes Restaurant, ist gut Betrieb, aber die Ausstellung mit Werken von Alexander Calder eröffnet erst nächste Woche. Trotzdem gibt es genug zu sehen. Hier ist alles so durchästhetisiert, dass auf dem "Salt Room", eine gläserne Kammer zum Pökeln von Fleisch, der Hinweis zu lesen ist, dass es sich nicht um ein Kunstwerk handelt.

Und der Garten: Kunst oder nicht? In dem von Piet Oudolf geschaffenen Feld hinter der Galerie wiegen sich blühende Gräser im Wind, auf Schlängelpfaden geht es hinauf zu Smiljan Radićs Pavillon, den der chilenische Architekt 2014 im Auftrag der Serpentine Gallery entworfen hat: ein klassisches Folly, also nutzlose, irre Zierarchitektur, wie sie in englischen Landschaftsgärten steht. Auch hier also nur Männer am Werk, aber vielleicht ist das so ein Land-Ding: Garten umgraben, Skulpturen aufstellen, Grill anschmeißen - alles Männersache? Who knew?

Später Krocket vor dem Babington House, einem ländlichen Ableger des Soho House. Und, puh!, wie man bei Édouard Manet und Winsley Homer sehen kann, ist zumindest Krocket ein Spiel, bei dem auch Frauen mitmachen dürfen.

Dauernd das Gefühl, dass jemand Prominentes anwesend sein muss, so viele Stars wohnen in Somerset und nicht alle sind auf der royalen Hochzeit eingeladen: Sam Taylor-Wood, Phoebe Philo, Stella McCartney ... Die Gegend wird auch "Notting Hill mit Kühen" genannt, auf den Straßen fahren so viele schöne Old-Timer herum wie gerade in Windsor. Und da ist er tatsächlich, unser Star für diesen Tag: OBE Gillian Anderson alias Scully, strahlend und geheimnisvoll zugleich. 

Wir hätten so viele Fragen an die FBI-Agentin und Forensikerin zum Männerüberschuss in der Kunst. Schließlich hat sie Anfang der 90er-Jahre ein Phänomen verursacht, das als "Scully Effect" bekannt ist: Seit Beginn der Ausstrahlung von "Akte X" gingen Frauen vermehrt in naturwissenschaftliche Berufe.

Doch wir wollen noch nach Frome, vor allem deshalb, weil der Name so viele Wortspiele zulässt. When in Frome, do as the Fromans do, also schnell ein paar Shandys bestellt. Es ist die Stadt der Nonkonformisten: 2015 wurde hier ein Stadtrat gewählt, der nur aus parteilosen Kandidaten besteht. Schaufenster offenbaren, dass hier auch Royalisten wohnen, ganz kommt man an der Hochzeit-Show nicht vorbei. Also gut: Alles Gute, Meghan und Harry!