Die Meteorologen bläuen uns geduldig ein, dass man Wetter nicht mit Klima verwechseln soll. Aber die Wettervorhersage ist trotzdem eine treffende Metapher für den Blick in die Zukunft. Er ist spekulativ, alle reden darüber und der Blick in den Himmel ist in Zeiten des Klimawandels (und dem Kampf über die Deutungshoheit darüber) hochpolitisch. Der nordische Pavillon in Venedig steht in diesem Jahr unter dem Titel "Weather Report – Forecasting Future" und vereint drei Positionen, die sich mit zukünftigen Formen des Zusammenlebens beschäftigen. Ane Graff aus Norwegen bringt in ihren filigranen Skulpturen die westliche Wirtschaftsordnung mit Biomaterial und neuen Zivilisationskrankheiten zusammen, die Schwedin Ingelma Ihrmann untersucht Pflanzen als Zukunftssubstanz und das finnische Duo Nabteeri denkt über neue Formen des Zusammenlebens mit nichtmenschlichen Kreaturen nach. Wir haben mit Janne Nabb und Maria Teeri gesprochen.
Janne Nabb, Maria Teeri, Sie schauen sich immer den Ausstellungsort an, bevor Sie ein Kunstwerk dafür entwickeln. Was interessiert Sie am Gebäude des nordischen Pavillons?
Maria Teeri: Wir finden es interessant, dass der Beton für den Pavillon mit Sand aus dem Meer gemacht wurde. Das heißt, dass das Salz das Material angreift und sich das Gebäude sozusagen selbst auffrisst. Die Architektur ist sehr offen, was uns gefallen hat, aber wir haben versucht, auf alles in der Umgebung zu achten. Das Klima, die Luftfeuchtigkeit, die Lebewesen, die es gibt.
Janne Nabb: Dass der Pavillon verfällt passt gut zu unserem eigenen Haus in Finnland. Wir werden in Venedig Aquarellzeichnungen von Holz zeigen, das von Holzwürmern befallen ist. Man beginnt, überall Verbindungen zu ziehen. In beidem geht es um Formen, die man nicht vorhersagen kann.
Ihr Titel ist ziemlich ausschweifend: "Ethnographies of a homespun spineless cult and other neighbourly relations". Was kann man sich darunter vorstellen?
MT: Es geht ums Zusammenleben. Einmal auf autobiografischer Ebene in unserem Haus an der finnischen Westküste und einmal auf universellerer Ebene. Wir denken über verschwindende Kreaturen und Ökosysteme nach, einmal auf die dunklere Art, wenn man sich machtlos gegen die Entwicklung und die Klimakrise fühlt, dann aber auch als Künstler, die immer noch etwas tun und weiter existieren.
Ist Kompostieren Kunst?
MT: Wir möchten gern Angebote machen, dass Tiere und Pflanzen rund um den nordischen Pavillon leben können. Wir erleben massenhaftes Artensterben, also sollten wir die Vielfalt jetzt wertschätzen, solange es sie gibt. Es sollen nicht nur Menschen in der Ausstellung präsent sein. Der Kompost ist nur ein Teil, und wir wissen noch nicht genau, wie es aussehen wird. Es ist eine Herausforderung, die wir vor Ort angehen. Es hat etwas Spekulatives und auch etwas Utopisches.
JN: Uns geht es darum, anderen Lebensformen Aufmerksamkeit zu schenken und sie wertzuschätzen. Das ist bitter nötig und wir hoffen, dass es ein paar Leute ansteckt.
Ihre Themen sind nicht an Weltregionen gebunden, kein Lebewesen außer dem Menschen denkt in Landesgrenzen. Können Sie trotzdem mit dem Label "nordische Kunst" leben, das Ihnen der Pavillon aufdrückt?
MT: Ich mag den romantischen Gedanken der nordischen Kollaboration. Uns geht es ja darum, unseren Raum zu teilen. Und wir haben immerhin eine gemeinsame Klimazone und sind reiche Nationen, sodass es hier die Möglichkeit gibt, etwas zu ändern.
JN: Natürlich ist die ganze Biennale mit ihren Länderpavillons ein wenig absurd. Ich muss immer an den Eurovision Song Contest denken. Aber wir können innerhalb dieser Restriktionen gut zusammenarbeiten.
Venedig ist eine Stadt, die vom steigenden Meeresspiegel und zu vielen Schiffen und Menschen bedroht wird. Ist es besonders interessant für Sie, hier über Zusammenleben und Ökosysteme nachzudenken?
MT: Natürlich. Dort treffen sich unglaublich viele Interessen. Wir waren vorher noch nie da, weil wir es normalerweise vermeiden zu fliegen. Aber jetzt wollten wir im Vorfeld ein Gefühl dafür bekommen, was für ein Ort es ist. Es ist bittersüß, dort vertreten zu sein, weil man Teil des Problems wird, wenn so viele Leute dorthin kommen, um die Show zu sehen. Aber es ist auch interessant, innerhalb dieses Systems zu arbeiten, weil Kunst eine Dringlichkeit erzeugen kann, die vielleicht bei anderen etwas bewirkt.