Pussy Riot hat gerade einen guten Lauf. Wortwörtlich: als Mitglieder des Kollektivs am Sonntag den Rasen des WM-Finales stürmten. Im übertragenen Sinn: als am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass Russland Schadenersatz an 2012 inhaftierten Pussy-Riot-Frauen zahlen muss.
Bei der geballten Berichterstattung dieser Tage fällt wieder auf, dass Medien Schwierigkeiten haben, die Gruppe zu benennen: Ist Pussy Riot eine Punk-Band, ein Performance-Kollektiv oder eine Aktivisten-Gruppe? Alles stimmt: Pussy Riot ist eine Band, deren antiautoritäre und feministischen Anliegen so groß ist, dass sie auch unabhängig von einer Musikveröffentlichung politische Aktionen und Kampagnen starten. Diese Aktionen sind geschult an künstlerischen Interventionen oder an Mikrokulturen wie das Flitzer-Phänomen im Fußball.
Im Idealfall greift alles ineinander. Jetzt hat Pussy Riot wieder einen Song veröffentlicht, der sich auf die Flitzeraktion bezieht, die sich "Der Polizist kommt ins Spiel" nannte. "Der irdische Polizist, der jeden Tag in das Spiel eingreift und keine Regeln befolgt, zerstört unsere Welt", erklärte die Gruppe in einem Statement nach der Aktion. In der Unterscheidung zwischen dem "himmlischen Polizisten" und dem "irdischen Polizisten" bezieht sich Pussy Riot auf ein Werk des Dichters Dmitri Alexandrowitsch Prigow, der einen idealen Polizisten entwirft, der die Werte einer friedlichen und menschenfreundlichen Gesellschaft verkörpert. "Der himmlische Polizist beschützt schlafende Babys, während der irdische Polizist politische Gefangene nimmt und Menschen inhaftiert, die Social-Media-Posts sharen oder liken."
Der neue Song und das dazugehörige Video ist eine Hymne auf den good cop. Der tanzt und flirtet und weiß, dass alle Menschen ein Recht auf ein gutes Leben haben. Es sieht dann auch etwas nach einer Versöhnung mit den Instanzen aus. Auf jeden Fall macht der fröhliche EDM-Track klar, dass man Pussy Riot nicht mehr als Punk-Rock bezeichnen sollte.