Doku porträtiert Hans-Peter Feldmann

Im falschen Film

Die Filmemacherin Corinna Belz hat sich nach ihrem Porträt von Gerhard Richter eine weitere rheinische Künstlergröße vorgenommen: Der Dokumentarfilm "Kunst keine Kunst" begleitet den Düsseldorfer Hans-Peter Feldmann. Dessen verschmitzte Grillen sind allerdings wenig kinotauglich

Wie schön ist doch ein Künstler, der über dicke Ölschichten rakelt: das Fließen der Säfte, die Kraftanstrengung, das Entstehen von Aura und Kunstgeschichte. In Corinna Belz' Dokumentarfilm "Gerhard Richter Painting" waren diese kulinarische Szenen ein Glückfall für die Filmemacherin. Schwieriger ist es mit jemandem wie Hans-Peter Feldmann, der als Konzeptkünstler gilt, für den die Idee also wichtiger ist als das Material und das Ergebnis. Corinna Belz hat es mit ihrem neuen Film "Kunst keine Kunst", der am Wochenende im Rahmen des Festivals "Stranger than Fiction" in Köln Premiere feierte, dennoch versucht – und ist gescheitert.

Man kann sich gut vorstellen, warum Belz sich dennoch auf das Experiment eingelassen hat: Der 77-Jährige ist bekannt für seinen Einfallsreichtum und Humor, er ist eine solitäre Figur in der deutschen Kunst, rätselhaft und doch populär. Doch schon nach wenigen Filmminuten folgt eine Szene, die eine deutliche Absage an den dokumentarischen Wert des Films darstellt. Der Künstler sitzt im Auto und verkündet: "Wir fahren jetzt zu einem Bunker, in dem ich als Kind oft gewesen bin." Nach wenigen Sekunden stoppt der Wagen: "Das ist keine gute Idee", sagt Feldmann.

In "Kunst keine Kunst" treten keine Gefährten und Begleiter auf, gibt es keine Archivbilder, erklärt keine Off-Stimme Biografie und Werk. Was Belz stattdessen zeigt: kleine Skizzen von Situationen, die auf Einfälle zurückgehen, die Feldmann über Jahre in Notizheften gesammelt hat. Der Künstler sortiert sein Bücherregal um, schneidet Buchstaben aus der Zeitung aus, lässt sich Briefmarken hinter die Ohren stecken, sitzt am See, würfelt, packt Bücher in den Kühlschrank, reißt Seiten aus Büchern, zieht Schubladen auf, pflückt Blütenblätter von einer Blume, entpackt ein altes Gemälde, sortiert Postkarten ... Viele Materialien davon kennt man aus seinem Werk, auch das neugierige Zerwühlen und Zerlegen ist ein Grundprinzip seiner Arbeit. Mit der Ausgangsszene im Kopf psychologisiert der Zuschauer bald: Aha, hier holt jemand die im Bunker verlorene Kindheit nach!

Feldmann rückt eine Generation des alten West-Deutschlands in den Fokus, die lieber schwieg und sich ablenkte, als über die Verhältnisse nachzudenken. Der Künstler greift mit kleinen, ja betulichen Gesten diese falsche Ordnung an: zerreißt alte Familienfotos, zerschneidet Geldscheine und stellt die Tradition auf den Kopf. Ein wenig wirkt er in diesem Film dabei auch wie ein Krimineller, ein Voyeur, ein "Sittenstrolch", der "alle Kleider einer Frau" (so der Titel einer Fotoserie, die im Film präsentiert wird) durchstöbert. Corinna Belz verzichtet auf Musik, und wir hören das Atmen des Künstlers, spüren seine Ungeduld bei der Verrichtung der Dinge, seine Neugier.

Nach einer Stunde wird das zäh, dann macht die BRD-Muffigkeit einen klaustrophob und man wünscht sich mehr Welthaltigkeit. In diesem Film fährt der Künstler nur mit dem Stift auf der Landkarte herum, die eigentliche Reise findet im Kopf statt, so suggeriert der Titel "Kunst keine Kunst". Wozu braucht man da noch das Kino? Es scheint einfach nicht das richtige Medium für Hans-Peter Feldmann zu sein.