Sie sind sozialer Raum, Orte des Diskurses, der Imagination. Für Besucher bieten Galerien die Möglichkeit, neueste Kunst bei freiem Eintritt zu sehen. Galerien entdecken junge Künstler, strecken ihnen idealerweise Produktionskosten vor, geben ihnen erste Ausstellungsmöglichkeiten, positionieren sie in Museumsschauen und -sammlungen, machen für sie Pressearbeit und unterstützen sie moralisch und finanziell auch in schwierigen Zeiten. Galerien sind der Kern des Betriebs, und jede hat – durch ihre Künstler, Mitarbeiter und Geschichte geformt – ihre eigene DNS.
Das fällt besonders auf, wenn eine Galerie schon lange existiert, wenn sie mit ihren Künstlern gewachsen ist, Künstler, die vielleicht noch wenig bekannt waren, als sie ihre erste Ausstellung in der Galerie zeigten, und nun vielleicht schon tot, aber weltberühmt sind. So wie Felix Gonzalez-Torres. Mit dem kubanischen Künstler startete die New Yorker Andrea Rosen Gallery im Januar 1990 ihren Betrieb, für den Künstler und Mitglied des Kollektivs Group Material war es die erste Soloshow überhaupt. Andrea Rosen entwickelte sich schnell zu einer der wichtigsten US-Galerien, Gonzalez-Torres zu einem der bedeutendsten Künstler des Landes.
Im Februar 2017 gab Rosen bekannt, dass sie sich fortan gemeinsam mit der Galerie des Deutschen David Zwirner ausschließlich der Verwaltung des Nachlasses von Gonzalez-Torres widmen werde. Keine Galerieausstellungen mehr, keine Messen, keine öffentliche Räume, keine Vertretung lebender Künstler (neben der Karriere von Gonzalez-Torres hat Rosen unter anderem die von Wolfgang Tillmans und John Currin beeinflusst). Die New Yorker Kunstszene war geschockt und sah darin ein weiteres Anzeichen für den Niedergang des Geschäftsmodells Galerie, das durch immer weiter steigende Mieten, teure Messen und das internationale Filialnetz der großen Galerien bedroht sei.
Tatsächlich sollte es nicht die einzige Schließung in diesem Jahr bleiben, und es traf vor allem Galerien, die nicht einmal halb so lange wie die Andrea Rosen Gallery existierten. Galerien, die einen gewissen Status erreicht hatten, aber nun nicht weiter wachsen konnten oder wollten. Die Londoner Laura Bartlett Gallery schloss nach zwölf Jahren, die Berliner Galerie Silberkuppe stellte nach neun Jahren ihren Betrieb ein, die Berliner Galerie Micky Schubert nach elf Jahren, Freymond-Guth aus Basel ebenfalls nach elf Jahren.
In einer E-Mail, die Jean-Claude Freymond-Guth über den Galerie-Verteiler verschickte, beklagte er die "Entfremdung in den Beziehungen zu allen Teilnehmern", die daher rührt, dass Zeit und Raum für Reflexionen, Diskussionen und persönliche Identifikation mit Form und Inhalt der Kunst weniger werden, weil man konstant und global an der Produktion und am Wettbewerb teilnehmen muss.
Bettina Meier-Bickel und Sabina Kohler von der Züricher Galerie Rotwand, die im Februar nach neun Jahren aufgab, kamen im Monopol-Interview zu einem ähnlichen Befund: "Es gibt kaum nachkommende, junge Käuferschaft, die mit Enthusiasmus auf Entdeckungen aus ist. Junge schauen eher nach Kunst als Investmentmöglichkeit." Und: "Die sozialen Medien verändern die Wahrnehmung und die Bedürfnisse."
Vor allem der Zwang zu Messeteilnahmen machen jüngeren und mittleren Galerien zu schaffen. "Wir sahen die Teilnahme als eine Investition in die Zukunft", sagte Sabine Kohler, "aber auf Dauer funktioniert dieses System nicht, junge Galerien zahlen meistens die gleichen Preise wie die großen, ohne aber genauso gut verkaufen zu können."
Was bleibt also zu tun? Kleinere und mittlere Galerien organisieren sich mit Off-Messen, Austausch und neuen Formaten. Die Kooperation "Okey Dokey", für die Kölner und Düsseldorfer Galerien im September erstmalig Kollegen aus anderen Städten zu Ausstellungen in ihren Räumen einluden, war 2017 ein gutes Beispiel. Sammler sollten sich fragen, warum sie nicht auf solchen Galerienausstellungen, sondern auf Messen einkaufen. Weniger vermögende Besucher, warum sie Events brauchen, um überhaupt mal eine Galerie zu besuchen, wenn an beinah jedem Wochenende aufregende Ausstellungen eröffnen.
Nicht zuletzt ist auch die Politik gefragt, die mit gezielter Förderung und der Senkung der in Deutschland außergewöhnlich hohen Abgabenlast den Standort stärken und die offensichtlichen Strukturveränderungen steuern kann. Der 2017 erstmalig vergebene Berliner Galerienpreis zeigt, in welche Richtung es gehen könnte. Doch er wird nicht vom Kultursenat, sondern von einem Wirtschaftsverband in Kooperation mit dem Wirtschaftssenat ausgelobt. Wo bleibt die Anerkennung für die herausragenden kulturellen Leistungen gerade der mittelgroßen Galerien?
Eines sollte man nämlich nie vergessen: In einer Welt, in der zeitgenössische Kunsterfahrung von wenigen Medien- und Veranstaltungskonzernen abhängt, bieten die kleineren und mittleren Galerien mit hohem finanziellen Risiko und emotionalem Einsatz eigenwillige und persönliche Nischen. Nischen, die so eine kulturelle Errungenschaft wie die Kunst von Felix Gonzalez-Torres möglich machen. Sie haben jede Unterstützung verdient.