Der Kaiserring wird in Goslar seit 1975 verliehen, die ersten Preisträger waren Henry Moore und Max Ernst, es folgten gezielt Vergaben an Künstler, deren Größe und Wichtigkeit oft erst später offenbar wurde. Bernd&Hilla Becher zählen dazu, Joseph Beuys, Rosemarie Trockel und Georg Baselitz. Diese Treffsicherheit der Jury ist vielleicht der eine Teil seines Renommees, der andere ist die Festlichkeit der Rituale, die damit einhergeht. Die Dotierung ist es jedenfalls nicht, denn dieser Kunstpreis kommt ohne Geld aus. Man bekommt ihn, maßgefertigt, an den Finger gesteckt, man wird am Vorabend mit einem Kaisermahl geehrt, nach dem um Mitternacht gemeinsam das Steigerlied gesungen wird. Und stellt anschließend in einem restaurierten Fachwerkhaus aus, dem Museum Mönchehaus.
Der Kaiserring Goslar ist eine rein ideelle Angelegenheit, die auch die Galeristen von der Londoner Kunstmesse Frieze hat zurückfliegen lassen, als die Künstlerin Isa Genzken mit dem Ring geehrt wird. Dass es ihr viel bedeutet, wird auch ohne lange Dankesworte klar. "Das macht sehr glücklich", sagt sie nur, eher leise.
Ihr Interview hat sie den Verantwortlichen schon vorab gegeben, es wird schriftlich verteilt. "In 2015 wurden Sie von der Zeitschrift Monopol als bedeutendste deutsche Künstlerin bezeichnet", wird sie darin gefragt. "Beeindrucken Sie solche Rankings?" "Ja natürlich", antwortet die Künstlerin. "Ich hatte mal gehört, dass die Zeitschrift Monopol meine Arbeit gar nicht so gut fand. Und dann von der selben Kunstzeitschrift als die bedeutendste deutsche Künstlerin bezeichnet zu werden, das hat mich dann schon beeindruckt und natürlich auch gefreut." (Wie es zu dem Gerücht kam, ist ungeklärt.)
Die Laudation hielt Susanne Pfeffer, die kürzlich designierte neue Direktorin des MMK Frankfurt, mit einer Betrachtungsweise von Genzkens Werk, die nicht in etwaige andere Welten führt, sondern für Pfeffer direkt in die Wirklichkeit. "Geschönt und ungeschönt, voll absurder Komik, punkig und zart, ermöglichen ihre Fotografien, Installationen, Filme und Skulpturen, dem Realen ein Stück näher zu kommen."
Die Ausstellung findet im Museum Mönchehaus statt, einem wie fast überall in der Altstadt von Goslar auf heutige Standards gebrachten Fachwerkhaus mit deutlich ablesbaren historischen Insignien. Darauf prallt das gnadenlos Zeitgenössische von Isa Genzkens Skulpturen. Hohe Türme aus Pappe, die an übermannshohe Architekturmodelle erinnern und natürlich ihre I-love-New-York-Arbeiten wachrufen, sind teilweise beklebt mit Spiegelfolie, mit Plastikplane und ausgedruckten Fotos.
Eine neue Collage aus Fotos und gefundenen Materialien ist überzogen mit dem markanten orangefarbenen Plastiknetz, mit dem die Künstlerin im Jahr 2007 den Deutschen Pavillon verhüllte. Für Goslar hat sie neue Collagen mit poppig neonfarbenen Klebestreifen gemacht, die mit kleinen teilweise selbstreferenziellen Motiven versetzt sind: Bilder der Rosenskulptur, ein "Mach dich hübsch!"-Cover. Ein Motiv kann man als Siebdruck kaufen, die Künstlerin sitzt eine Weile am Tisch und signiert. Dann entscheidet sie sich, aufzustehen.