In einer Folge von "Mad Men" sinniert der Werbemann Don Draper über Kodaks Welterfolg der 60er-Jahre, den Diaprojektor mit Rundmagazin. "Dieses Gerät ist eine Zeitmaschine. Es führt uns in eine Zeit zurück, nach der wir uns sehnen, sie wieder zu betreten. Es heißt nicht Rad, es heißt Carousel."
Das Klicken von Kodaks Carousel-Projektor gehört zum Soundtrack von Arwed Messmers Ausstellung "RAF – No Evidence / Kein Beweis". Nicht, dass der Fotograf und Fotoarchäologe mit der Vorführung von Polizeiaufnahmen aus der Terroristenfahndung der 70er-Jahre an unsere Nostalgie appellierte. Ganz im Gegenteil, man könnte die historischen Funde kaum unverfälschter präsentieren. Und doch umweht diese blassfarbenen Bilder ein Hauch von "Aktenzeichen XY ungelöst". In anderen Räumen zeigt er seine Funde auf Mikrofiche-Dias, in großen Wandabzügen oder auf Hunderten von Seiten eigens gedruckter Folianten.
Mehrere Jahre arbeitete Messmer in Archiven, um ein neues Bild der Ära zwischen dem Höhepunkt der Studentenproteste 1967 und dem tragischen Herbst 1977 zu generieren. Die Bilder gewinnen dabei eine ästhetische Autonomie: wie etwa eine Porträtserie von Teilnehmern eines Happenings im August 1967, bei dem am Rande des Begräbnisses des Widerstandskämpfers Paul Löbe die Freilassung Fritz Teufels gefordert wurde. In roter Uniformjacke: Andreas Baader.
Der erkennungsdienstlichen Erfassung seines Todes und dessen seiner Mitgefangenen Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin sowie des vermutlichen Suizidversuchs Irmgard Möllers in Stammheim ist der zentrale Raum gewidmet. Während wenige seinerzeit an den "Stern" geleakte Polizeiaufnahmen in Schwarz-Weiß-Versionen um die Welt gingen und Gerhard Richter als Vorlage zu seinem RAF-Zyklus dienten, blieben die meisten der durchweg farbigen Bilder unbekannt. Messmer scannte die Originalnegative, die ihm das Staatsarchiv Ludwigsburg überließ. Nun kann man durch den gesamten Bestand blättern.
Während der "Stern" damals die Bildrechte der geleakten Fotos an internationale Agenturen verkaufte, reklamiert Messmer für jedes einzelne seiner Digitalisate ein Copyright – auch wenn sich eine neue Werkschöpfung erst aus einem größeren Kontext konstatieren ließe. Ein Appropriation-Künstler ist er eben nicht: Gerade die unverstellte Begegnung mit den ursprünglichen Fotografien macht diese Ausstellung so sensationell. Eine Dekontextualisierung findet erfreulicherweise nicht statt. Umso irritierender ist da der Akt der persönlichen Inbesitznahme. Er setzt die Befreiung der Bilder gleich wieder ein Stück außer Kraft.