Danh Vo über das Dong Xuan Center

"Ich bin nicht integriert, das ist meine Stärke!"

Hunderttausend Vietnamesen wohnen in Deutschland, mit ihnen beschäftigt sich das Berliner Festival "Dong Xuan". Der Künstler Danh Vo, Kind südvietnamesischer Flüchtlinge, wird daran teilnehmen. Hier erzählt er, warum

 

Danh Vo, waren Sie schon einmal im Gewerbegebiet Dong Xuan?

Da gehe ich häufig hin, zum einkaufen und essen. Dort kann man ausgezeichnet essen!

Dong Xuan liegt in Berlin-Lichtenberg, im ehemaligen Ostteil der Stadt.

Der Markt wurde errichtet, damit die Vietnamesen in Berlin ihre Kultur erhalten. Da ist eine Art Ghetto entstanden. Ich glaube, viele Vietnamesen wollen einfach unter sich bleiben.

Wie kommt das? Ihr Vater, ein Bootsflüchtling, wohnt seit 30 Jahren in Dänemark, aber spricht kaum dänisch ...

Es ist sicher sehr schwierig, wenn man vom Leben in ein fremdes Land verschlagen wird und man besitzt kaum Bildung. Das ist kein gutes Fundament für Integration.

Gerade in den letzten Monaten wird in Deutschland wieder heftig um Immigranten gestritten.

Was ich nicht verstehe: Warum gilt eine Gruppe als gut integriert, wenn sie beinahe unsichtbar ist und keine Umstände macht. Die Asiaten gelten als besser integriert als Muslime. Das sehe ich nicht so!.

Fühlen Sie sich denn integriert?

Natürlich nicht, das ist meine Stärke!

Es wird häufig betont, dass die Vietnamesen aus dem Norden und dem Süden selbst noch zueinander finden müssen. Ihre Familie stammt aus dem ehemaligen Staat Südvietnam – spielt die einstige Teilung auch heute noch eine Rolle bei Migranten?

Ich glaube, es wird besser, auch wenn es in ideologischer Hinsicht noch viele Gräben gibt. Ich habe gehört, dass nach dem Fall der Berliner Mauer die Südvietnamesen, die im Berliner Westen wohnten, auf die Nordvietnamesen, die als Gastarbeiter in der DDR lebten, zugingen. Die im Osten sollen aber kaum an einer Aussöhnung interessiert gewesen sein. Ich habe einmal meine Mutter mitgenommen zum Dong Xuan-Markt, sie fand es dort großartig. Auch wenn meine Mutter die Kommunisten hasst, kann sie sich doch auch mit dem Nordvietnamesen identifizieren. Man teilt sich dieselbe Geschichte, und egal, ob Nord- oder Südvietnamesen, man muss sich heute in diesem komischen Deutschland durchschlagen.

Am kommenden Wochenende startet in Berlin ein Festival, das nach dem Markt benannt ist und das sich mit der vietnamesischen Diaspora beschäftigt. Worin besteht Ihr Beitrag?

Wir sind über den Markt gegangen und haben uns die Aushänge angeschaut, von Leuten, die Wohnungen oder Jobs suchen oder einen Kühlschrank verkaufen. Wir haben Leute gesucht, die eine gute, interessante Handschrift besitzen, und wir haben sie gebeten, Plakate für das Festival zu zeichnen. Mich interessiert an diesem Projekt, wie Sprache und Schrift sich verändern, wie das Alphabet auf Reisen geht, mit den Missionaren etwa, die damals nach Vietnam kamen, oder durch Krieg. Bei den Plakatarbeiten geht es also eher um westliche Geschichte als um vietnamesische.

Glauben Sie, dass viele Vietnamesen das Festival besuchen werden?

Bestimmt nicht. Das ist auch das Seltsame an solchen Festivals: dass es um Menschen gehen soll, die nicht die Voraussetzungen besitzen, daran teilzunehmen. Deshalb fand ich die Idee gut, diese Leute mit einzubeziehen.

"Dong Xuan"-Festival, 21. bis 27. November 2010. Führungen zum Dong Xuan-Markt mit John Bock, Rimini Protokoll, Phil Collins, Perret Schaad u.a.. Am 24. November Talk mit Danh Vo und Dominic Eichler, am 26. November Performance mit Phung Vo, dem Vater von Danh Vo. Außerdem wird der Künstler seinen Besenshop, der kürzlich temporär in Westberlin geöffnet hatte, nun auch im Dong Xuan-Center einrichten