Huang Yong Pings Monumenta-Arbeit im Grand Palais

"Zwischen Darth Vader und Napoleon"

Huang Yong Ping war einer der einflussreichsten Künstler der chinesischen Avantgarde der 80er. Jetzt hat er für das Pariser Grand Palais eine monumentale Installation realisiert. Ein Gespräch mit Jean de Loisy, dem Kurator der Ausstellung

Monumenta, der Name der Ausstellungsreihe ist Programm: Seit 2007 lädt das französische Kulturministerium Künstler ein, im Pariser Grand Palais größtformatige Arbeiten zu realisieren. Nach Anselm Kiefer, Richard Serra, Christian Boltanski, Anish Kapoor und Daniel Buren wird nun dem in Frankreich lebenden Chinese Huang Yong Ping die Ehre zuteil. Seine Installation mit dem Titel "Empires" besteht aus einem gigantischen Reptilienskelett, einen fünf Meter hohen Zweispitz und 305 Schiffscontainer. Jean de Loisy, Direktor des Pariser Ausstellungshauses Palais de Tokyo, hat die Ausstellung kuratiert. Er sieht in dieser Landschaft eine gelungene Auseinandersetzung mit dem Ort, der Geschichte und der Gegenwart.

Jean de Loisy, welches Verhältnis hat Huang Yong Ping zu seiner Wahlheimat Frankreich?
Wir haben ihn vor langer Zeit entdeckt, 1989 als Teilnehmer der Ausstellung "Magiciens de la Terre". Als diese Gruppenschau im Pariser Centre Pompidou und der Grande Halle eröffnete, ereignete sich in Peking das Tian'anmen-Massaker. Huang Yong Ping, der in Xiamen geboren wurde, blieb in Frankreich, nach einigen Jahren konnte auch seine Familie nachziehen. Es ist großartig, dass er nun in einem so zentralen Pariser Bau wie dem Grand Palais ausstellen kann! Stellen Sie sich vor, Huang Yong Ping hatte schon lange vor der Einladung zur Monumenta die Idee, eine Ausstellung im Grand Palais zu machen! Er zeigte mir Skizzen von 1996, in denen er das ganze Projekt schon vorweggenommen hatte. Damals gab es die Monumenta noch gar nicht! Es ist also eine lange Meditation über diesen Ort.

Sie arbeiten zum zweiten Mal als Kurator der Monumenta in diesem historischen Gebäude. Es ist sicher nicht einfach, dessen Dimensionen in den Griff zu bekommen.
Es ist eine Herausforderung, die Größenverhältnisse, das Licht. Nur wenige Künstler können mit solchen Maßstäben umgehen. Damit meine ich auch die Bedeutung und Geschichte dieses Bauwerks. Es ist innen gewagt und sehr "industriell", außen hingegen altmodisch. Ein interessanter Kontrast. Es war als Ausstellungsort für Flugzeuge und Züge gebaut worden, ein Symbol für die Modernität von Paris und ein Höhepunkt der Weltausstellung 1900.

Wie geht Huang Yong Ping mit diesem Ort um?
Huang Yong Pings Werk ist sehr physisch, eine dreidimensionale Landschaft, die sich auf 27 Meter in die Höhe und 270 Meter in die Länge ausbreitet. Und die Struktur der Hügellandschaft antwortet auf die des Gebäudes. Das Projekt zeigt eine Landschaft in permanenter Transformation, so wie auch in der chinesischen Landschaftsmalerei die Landschaft als nichts Ewiges verstanden wurde. Auch impressionistische Gemälde zeigen Landschaft im Wandel durch die Präsenz von Maschinen. Auch die Idee von Transformation bei Beuys und Dada sind wichtig. Es gibt einen starken wirtschaftlichen Bezug in dem Ganzen. Es zeigt den Austausch zwischen China und Europa. Huang Yong Pings Arbeit dreht sich um die Gegenwart, den Rhythmus der Welt, um Imperien.

Welche Art Imperien?
Es geht um das ewige Verlangen der Menschen, zu herrschen. Diesen Willen sieht Huang Yong Ping als ein Motor der Geschichte an. Er denkt dabei mehr an den "Élan vital", den der Philosophen Henri Bergson beschrieb, als an Nietzsches "Wille zur Macht". Huang Yong Ping sieht dasselbe Verlangen bei den Führern eines Unternehmens oder eines Landes am Werk.

Ist Huang Yong Pings Arbeit also auch moralisch?
Nein, er fällt keine Urteile, sondern beschreibt lediglich, wie die Welt konstruiert ist. Und er erzählt das in Form einer Fabel über die Geschichte der Menschheit und das immerwährende Verlangen nach Macht, das die Landschaft in der industriellen Revolution, an deren Ende auch der Grand Palais gebaut wurde, komplett umkrempelt. Für die Franzosen kam die Industrialisierung später als in den anderen europäischen Ländern, weil Napoleon lieber Schlachten als Züge finanziert hat. Dieser Herrscher ist ein Schlüssel zum Verständnis dieses historischen Moments.

Inwiefern?
Der Grand Palais war ein Symbol der Macht. Das Gebäude sieht ein wenig wie Napoleons Zweispitz. Huang Yong Pings Napoleon ist eher der von 1805 aus der Schlacht bei Ulm, sein letzter Sieg vor der großen Niederlage bei Austerlitz. Austerlitz wurde seine blutigste Schlacht mit über zhentausend Toten. Napoleon war überwältigt von den Verlusten. Zum ersten Mal wurde er mit dem Leiden konfrontiert, den sein Wille zur Macht mit sich brachte. Da ist eine Frage, die Huang Yong Ping immer wieder mit seinem Werk aufwirft: Woher kommt der lächerliche Wille zur Macht, der Wandel der Welt, die zwischen Darth Vader und Napoleon aufgerieben wird. Es geht ihm dabei nicht so sehr um den simplen Gegensatz von Gut und Böse.