Mit "Lemonade" hat die Sängerin Beyoncé (34) ein visuelles und musikalisches Meisterwerk geschaffen. Es ist eine Hommage an schwarze Frauen und ein Paukenschlag in der kriselnden Beziehung mit ihrem Ehemann Jay-Z, eine Auseinandersetzung mit Betrugsvorwürfen, eine Abrechnung und Liebeserklärung an den Rapper zugleich. Und nebenbei eine Hommage auf die Schweizer Videokünstlerin Pipilotti Rist (53).
Das neue Album und der dazugehörige, einstündige Film ist exklusiv im Streamingdienst Tidal erschienen. Dort heißt es, Beyoncés Projekt drehe sich um den "Weg jeder Frau zu Selbsterkenntnis und Heilung". Die elf Stufen dieses schmerzhaften Prozesses, die sie in dem mit Co-Regisseur Khalil Joseph gedrehten Film durchspielt und besingt, kann jeder nachempfinden, der selbst schon einmal betrogen wurde: vom düsteren Verdacht über Verleugnung, nackte Wut und Gleichgültigkeit zur inneren Leere, Vergebung und schließlich der Hoffnung, dass die Beziehung so einen Riss nach einer Art Wiedergeburt überstehen kann.
An den Beginn dieses Spannungsbogens setzt Beyoncé die Ballade "Pray You Catch Me", die sie in den Feldern bei New Orleans zeigt. Ihre Wut über die angebliche Affäre entlädt sie in "Hold Up", als sie im gelben Roberto-Cavalli-Fransenkleid lachend Autoscheiben mit einem Baseballschläger zertrümmert. Diese Szene erinnert stark an Pipilotti Rists Video "Ever is Over All" aus dem Jahr 1997.
Mirjam Varadinis, Kuratorin der aktuellen Rist-Ausstellung im Kunsthaus Zürich, erklärte am Dienstag im Radio SRF 2 Kultur die Ähnlichkeit: "Sowohl im Rhythmus, wie sie geht – sie hat denselben hüpfenden Gang, leicht wippend – als auch das Kleid, das sie trägt. Aber vor allem der Ausdruck im Gesicht und in der Haltung. Beyoncé hat eine klare Message: die Frau, die sich befreit. Und dieser Befreiungsschlag wird eindeutig dargestellt. Da braucht es einen Baseballschläger."
Mirjam Varadinis sieht das Zitat als Hommage: "Ich finde es eigentlich ganz schön und auch spannend, dass gerade bei Pipilotti Rist, bei der die Popkultur eine wichtige Rolle spielt, das Schaffen wieder in die Popwelt zurückfließt."
Schon einmal wurde Beyoncé vorgeworfen, dass sie sich allzu dreist bei einer anderen Künstlerin bedient habe: 2011 beschuldigte die belgische Choreographin Anne Teresa de Keersmaeker die Sängerin, Tanz-Elemente in ihrem Video "Countdown" plagiiert zu haben. Der Radiosender "Studio Brussels" hatte damals Szenen gegeneinandergestellt:
Doch "Lemonade" nimmt als Ode an die schwarze Frau, den Süden der USA und Beyonces Vergangenheit Inspirationen von überall her. Der Titel etwa spielt auf Hattie White an, die Großmutter von Jay-Z, die bei einer Rede zu ihrem 90. Geburtstag sagte: "Es ging auf und ab, aber ich habe immer die innere Kraft gefunden, mich hochzuziehen. Ich bekam Zitronen, aber ich habe Limonade gemacht." Das Album sei ein "brennender Liebesbrief an sich selbst und Afroamerikanerinnen - unseren Schmerz, unsere Schönheit, unsere harte Liebe, unseren Verrat, unsere Kraft", schreibt das afroamerikanische Online-Magazin "The Root".