Morgens um vier aufstehen. Die Ziegen füttern, arbeiten bis zehn. Dann Korrespondenz, Mittagessen, Spaziergang, Telefonate, Abendessen, früh ins Bett. Immer wieder berichtete Hanne Darboven von diesem Tagesablauf, den sie von den späten 60ern an einhielt. Und man glaubte es ihr sofort, ist doch auch ihr Werk Inbegriff der Regelmäßigkeit, der obsessiven Wiederholung. Aber in ihren letzten Jahren lebte sie schon lange nicht mehr so. Stattdessen: nächtliches Umherwandern, Essstörungen, psychische Instabilität, Arbeitskrisen.
"Der perfekte Tagesablauf war ein Wunschtraum, den sie nicht erreichte, zumindest nicht in den letzten Jahren, die ich sie kannte", sagt Jörg Weil, der Darboven bis zu ihrem Tod im März 2009 als Pfleger und Assistent begleitete. Er ist einer von zahlreichen Interviewpartnern, mit denen die Münchner Journalistin Verena Berger für ihre Darboven-Biografie gesprochen hat. Das Buch ist im September erschienen, passend zur großen Retrospektive, die derzeit noch im Münchner Haus der Kunst und in der Bundeskunsthalle in Bonn stattfindet.
Darbovens radikale Kunst, ihre endlose Schreibarbeit, mit der sie die Zeit selbst festzuhalten schien, ist berühmt – doch über ihr Leben, schreibt Berger, war bislang wenig bekannt. Mithilfe von Wegbegleitern wie Carl Andre, Lawrence Weiner oder Kasper König, aber auch Darbovens Galeristen Markus Peichl und Andreas Osarek oder der Schwester Ellen zeichnet das Buch den Werdegang der Künstlerin nach: von der großbürgerlichen Kindheit über die Zeit als Außenseiterin an der Kunstakademie Hamburg und den Durchbruch in der New Yorker Kunstszene bis zu den Jahren, die Darboven danach wieder in Hamburg verbrachte, in zunehmender Abgeschiedenheit.
Einen "Isolator" nennt Andre die Freundin, "eine inselhafte Person, ganz auf sich selbst gestellt". Weiner zeichnet dagegen das ungewohnte Bild einer leidenschaftlichen Darboven, ständig verliebt, in den Künstler Sol LeWitt, in den Verleger Lothar Schirmer – auch wenn sie diese Beziehungen immer wieder abbrach, sobald sie ihrer Arbeit im Weg standen.