Nackt im Wald, nackt vor der Kunstmesse, nackt im Museum: Exhibitionistische Kunstperformances von Frauen sind beliebt und bilden mittlerweile ein eigenes Genre. Egal, was jeweils die künstlerische Aussage ist, man kommt damit in die Zeitungen. Denn das Unbekleidetsein in der Öffentlichkeit ist allein schon eine Nachricht. Auch auf Monopol Online wird jede Meldung über eine Nacktperformance deutlich häufiger "gelesen" als jeder andere Text.
Und hier kommt die nächste Runde: Die Künstlerin Poppy Jackson stieg am Wochenende an zwei aufeinanderfolgenden Tagen für je vier Stunden auf das Dach der Toynsbee Studios im Osten Londons. Dort fand das Theater- und Performancefestival "Spill" statt, und Jacksons Aktion "Site" war Teil des Programms.
Ende der Meldung. Genug Stoff für die Zeitungen.
Dass es der 1982 geborene Engländerin, die an der renommierten Goldsmiths University studiert hat, in ihren Perfomances um die Repäsentation und die "Autonomie" des weiblichen Körpers geht und dass sie von der bekannten feministischen Body-Art-Künstlerin Heather Cassils unterstützt wird - geschenkt. Für das breite Publikum wird die künstlerische Agenda nicht deutlich. Die britische Boulevardpresse stellte vor allem heraus, dass das Wetter doch recht kalt war und dass die Künstlerin demnach sehr ihre Arbeit liebt. Ein Lob neoliberalen Engagements, ein Lob für den Einsatz mit Leib und Seele für "das Projekt" - aber keines für weibliche Autonomie.
Erst seit diesem Jahr tritt Jackson, die bereits vorher ihren nackten Körper als künstlerisches Material benutzte, auch im öffentlichen Raum auf, zuletzt auf dem Dach einer Scheune im US-Bundesstaat New York. Doch ist der Stadtraum der richtige Ort für ihr Anliegen, ist die Nacktperformance das richtige Format? Die Reaktionen auf Poppy Jacksons Performance in London lassen daran zweifeln: Der Grenzübertritt "Unbekleidet in der Öffentlichkeit" erzeugt einen Skandalwert, der den künstlerischen Wert überdeckt.