Carsten Fock in Wolfsburg

Land in Sicht

Drei Räume, hundert Wege der Malerei: In der Städtischen Galerie Wolfsburg steht Carsten Fock an den Scheidewegen seiner Kunst

Der Weg vom Bahnhof bereitet den Besucher vor auf die Wolfsburger Ausstellung des Malers Carsten Fock: vorbei an Zaha Hadids Phæno-Bau, eine Feier der aktuellen Verflüssigung der Verhältnisse, dann durch die VW-Autostadt als Erinnerung an die heroische Moderne bis in die gestaltete Natur des Schlossparks und hinter die dicken Mauern des Renaissanceschlosses – ins Herz der Kontemplation.

Es ist eine sehr konzentrierte, fast sakral inszenierte Schau: die Fenster zugeklebt, die Wände dunkel angestrichen, Lichtspots heben die Bilder hervor. Der erste Raum stellt das vielseitige zeichnerische Werk des 1968 geborenen Künstlers vor. Von filigranen Gebilden über zweifelnde Suchbewegungen bis zum Farbwirbel – die 24 Werke zeigen die Möglichkeiten des Mediums und Focks souveränen Umgang mit ihm. In der geballten Hängung sind auch vier Ölarbeiten untergebracht. Der Schritt von Papier zur Leinwand ist kein großer – aber doch von Bedeutung.

Die Aufladung mit kunsthistorischem Ballast und Aura, sobald es an die Malerei geht, wird in den Folgeräumen spürbar. Der zweite Raum ist durch eine Stellwand geteilt, auf deren glatten Sperrholzoberflächen mittelformatige Werke hängen. Auf einigen der sechs Gemälde sieht man noch einmal den Watzmann angedeutet, mit dessen Erhabenheit der Carsten Fock immer wieder die Grenze von gegenständlich und abstrakt, von Form und Auflösung durchspielt. Der Berg ist vielleicht noch als Silhouette erkennbar, gekrönt von Strahlenkränzen und Farbwolken, unter Beschuss durch Kaskaden von Pinselstrichen, die wie immer bei Fock der zeichnerischen Linie sehr nah sind.

In der Werkgruppe „o.T. (Wolfsburg I-III)“ – drei Großformate, die im letzten Raum entstanden und jetzt dort zu sehen sind – treibt Fock die Malerei noch weiter: Keine Gestalt löst sich mehr aus dem Stakkato der Striche, kein Zentrum, keine Perspektive strukturieren die Bilder. Man könnte die Zeilen aus Strichen von links oben nach rechts unten lesen wie eine Buchseite, ein Gitter aus sinngebenden Zeichen, hinter denen sich dennoch keine Geschichte verbirgt. Man sieht, dass Carsten Fock in seiner Malerei mit einer großen Ernsthaftigkeit die großen Fragen der Malerei noch einmal auf sich nimmt und in Zweifel und mit einem großen Glauben für sich bearbeitet. Auch wenn es hier in diesem Wolfsburger Raum wie ein Endpunkt aussieht, könnte von diesem Punkt aus alles neu starten und sich in viele Richtungen weiterentwickeln.