Fotografin Gundula Schulze Eldowy

Härte, Gewalt und Einsamkeit

„Du bist ein talentiertes Tier“, schrieb Robert Frank 1986. „The beast in you is Germany. Mach weiter.“ Der amerikanischste aller Fotografen („The Americans“) war der Erste, der ihre Arbeit wertschätzte. Gundula Schulze Eldowy, Jahrgang 1954, zog 1972 nach Berlin, studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und ging mit ihrer Kamera in Schlafzimmer, Tanzsäle, Operationsräume, Schlachthäuser. Sie hielt das Straßenleben in Ostdeutschland fest, große Tristesse, trotzige Gutgelauntheit zwischen Schutt und Asche. Ihre Farbaufnahmen sind bevölkert von Kostümierten, Schlägern, Sterbenden und auch Toten.

Ausgerechnet ein heiteres Bild – ein blondes, mürrisches Mädchen mit angesteckten Engelsflügeln und rosa Umhang auf dem Dach eines Hinterhofschuppens – wird ihr bekanntestes. Doch die Geschichte, die Gundula Schulze Eldowy erzählt, ist die der gequälten Kreatur, deren Koordinaten Härte, Gewalt und Einsamkeit heißen. Sie selbst strahlt nichts davon aus, bis heute nicht. Sie ist die Zuhörerin, die irgendwann, nach vielen Stunden des Gesprächs, ihre Fotos macht. Einmal, kurz vor der Wende, sind sie und ihre Arbeiten in Gefahr: Ihr engster Bekannter erweist sich als Spitzel, Verbündete wenden sich ab. Die Stasi geht ein und aus, man verdächtigt sie, CIA-Agentin zu sein. Schulze Eldowy versteckt ihre Negative im hohlen Balken des Berliner Ateliers.

Der Band „Der große und der kleine Schritt“ erscheint anlässlich der Ausstellung „Gundula Schulze Eldowy – Die frühen Jahre“ bei C/O Berlin, die Fotografien entstanden zwischen 1977 und 1990. Der Untergang der DDR bildet den gesellschaftlichen Rahmen, doch die Aufnahmen sind eigentlich existenzieller Natur. Ein Mann mit freiem Oberkörper posiert neben dem Totenbett einer alten Frau, sein Kopf befindet sich nicht im Format. In jeder Hinsicht ein Endpunkt, aber die darauf folgende Doppelseite zeigt die Demonstrationen 1989 in Leipzig. Keine Agenturfotos, doch der Nachrichtenwert in den Gesichtern ist heute noch erheblich: Wut, Angst, Wagnis.

„Berlin hat mich zu einer Fotografin gemacht,“ schreibt sie zu ihrem Zyklus in Schwarz-Weiß „Berlin in einer Hundenacht“. Schmerz und Witz halten sich hier immerhin die Waage. 

Gundula Schulze Eldowys Werk handelt vom Weitermachen. Ganz so, wie Frank es anordnete.

Gundula Schulze Eldowy: „Berlin in einer Hundenacht“. 248 Seiten. „Der große und der kleine Schritt“, 144 Seiten. Lehmstedt Verlag, beide auf Deutsch und Englisch, je 29,90 Euro. Ausstellung bei C/O Berlin, bis 26. Februar. Ausstellung in der Galerie Kicken, Berlin vom 28.1. bis 25.2.