Kulturkürzungen in Berlin

Abgeordnetenhaus beschließt Sparprogramm - mit massiven Folgen für die Kunst

Demonstration vor dem Berliner Abgeordnetenhaus gegen das Sparpaket des schwarz-roten Senats
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Demonstration vor dem Berliner Abgeordnetenhaus gegen das Sparpaket des schwarz-roten Senats

Trotz Protesten hat der Berliner Senat heute seinen Sparhaushalt verabschiedet. Bei der Kultur sind die Einschnitte besonders massiv. Die Branche beklagt, ihr werde "die Luft zum Atmen genommen"

Die umstrittenen Milliardenkürzungen im Berliner Landeshaushalt sind endgültig beschlossen. Das Landesparlament verabschiedete mit der Mehrheit von CDU und SPD und gegen die Stimmen von Grünen, Linken und AfD einen entsprechenden Nachtragshaushalt für 2025. Er sieht im Vergleich zum bisherigen Etatplan Streichungen von rund drei Milliarden Euro vor. 

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner verteidigte die Einsparungen. Es gehe dabei nicht um einen Haushalt, sondern um die Zukunft Berlins, sagte der CDU-Politiker. "Unsere Aufgabe ist es, Verantwortung in und für Berlin zu übernehmen." Die ganze Koalition stelle sich dieser Aufgabe aus Verantwortung für nachfolgende Generationen." 

Vor dem Parlamentsgebäude gab es während der Sitzung ein weiteres Mal Proteste gegen das Sparprogramm. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi demonstrierten rund 3000 Menschen, insbesondere gegen Kürzungen bei Hochschulen und in der Wissenschaft, wo bei den über mehrere Jahre geschlossenen Hochschulverträgen rund 100 Millionen Euro wegfallen sollen. 

Baustopp der Komischen Oper vom Tisch

Bei der Kultur sollen 131 Millionen Euro wegfallen, etwa 12 Prozent des eigentlich angedachten Budgets. Für Theater, Museen und Opernhäuser, aber auch die freie Szene bedeutet das zum Teil erhebliche Einschnitte - auch wenn der gesamte Kulturetat mit etwa einer Milliarde Euro im Vergleich mit den Vorjahren noch immer ein relativ hohes Niveau hat. 

Ein von vieler Seite befürchteter Baustopp bei der Komischen Oper scheint dagegen vom Tisch. "Ich bin mir sicher, dass wir die Sanierung des Gebäudes der Komischen Oper in Mitte fortsetzen", sagte Wegner. Das Haus sei von großer Bedeutung für die Kulturmetropole Berlin. Mit allen Beteiligten werde nun darüber gesprochen, wie sich das umsetzen lasse. 

Die Kulturszene hatte in den vergangenen Wochen besonders laut gegen die Einsparungen protestiert. Bei Nachverhandlungen nahm die Regierungskoalition daraufhin manche Kürzungen gerade für Bühnenhäuser zurück und sparte an anderer Stelle. An der gesamten Kürzungssumme im Kulturetat änderte sich aber nichts.

"Bestürzt" über den Parlamentsbeschluss

Die Kulturbranche, die schon seit Wochen gegen die Kürzungen mobil macht, äußerte sich "bestürzt" über den Parlamentsbeschluss. "Der Senat nimmt dem kulturellen Leben in der Stadt die Luft", heißt es in einem gemeinsamen Statement. "Berlin lebt durch seine Kultur. Die jetzt beschlossenen Kürzungen bedrohen Arbeitsplätze, die kulturelle Vielfalt und den Wesenskern dieser Stadt. Kultur ist nicht nur ein Standortvorteil, sie ist unverzichtbar für Zusammenhalt und Zukunft. Sie ist das Herz unserer Stadt", erklärte die Branche. 

"Gemeinsam haben wir in den letzten Wochen einen harten Aushandlungsprozess erlebt und einige Härten abwenden können", sagte Kultursenator Joe Chialo (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Besonders erfreulich sei, dass es keinen Baustopp an der Komischen Oper geben werde. Kinder- und Jugendtheater würden von Kürzungen verschont. 

Dafür trifft es die freie Kunstszene wesentlich härter. Denn die Einsparsummen wurden lediglich umgeschichtet. Auch der monatliche Museumssonntag mit freiem Eintritt wird gestrichen. Er sei sehr gut angenommen worden, sagte Chialo. "Das war ein Format, das seine Richtigkeit hatte und meine Unterstützung fand. Wir haben allerdings in Berlin gemerkt, dass kostenfreie Angebote an die Grenzen der fiskalischen Realität stoßen und nicht mehr leistbar sind."

Kultur "massiv unterschätzt"

Chialo sagte zum Hintergrund bei den Umschichtungen: "Die ursprünglichen Kürzungsvorschläge hatten eine sehr haushälterische Handschrift und weniger eine kulturfachliche. Wir haben nun den kulturfachlichen Aspekt wieder in den Fokus gerückt und geschaut, was juristisch und technisch überhaupt umsetzbar ist. Dadurch konnten wir viele Härten entschärfen." Mit einem neuen Format, an dem neben ihm der Regierende Bürgermeister und der Finanzsenator mit am Tisch säßen, wolle man stärker mit den Kulturinstitutionen und den Kulturschaffenden in einen Dialog treten, sagte der Senator.

Wegner betonte im Parlament, es sei mitnichten so, dass dem Senat Kunst und Kultur egal seien. "Wir wissen sehr wohl um die Bedeutung der Kultur für unsere Gesellschaft insgesamt, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Stärke und das Wachstum Berlins", sagte er. "Ich weiß auch um die internationale Strahlkraft der Kultur und wertschätze Kunst und Kultur ausdrücklich." Deshalb gebe Berlin trotz Einsparungen im kommenden Jahr rund eine Milliarde Euro für die Kultur aus. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren habe der Kulturetat noch 450 Millionen Euro betragen. 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kritisierte die Kürzungen dennoch: "Die Brutalität, mit der in Berlin vorgegangen wird, scheint mir schon Ausdruck einer anderen Vorstellung von Kulturpolitik zu sein", sagte sie in einem Interview mit "Zeit Online". Generell werde die Bedeutung der Kultur massiv unterschätzt. "Wenn man glaubt, man könne in finanziell schwierigen Zeiten die Kultur als bloße Kostenstelle oder als Luxus betrachten, begeht man einen schweren politischen Fehler."