Pussy-Riot-Aktivistin in Wien

Wut und Blut

Die Pussy-Riot-Aktivistin Diana Burkot sieht sich als Erbin der Wiener Aktionisten. Umso passender, dass sie ihre Blut-Performance nun im zugehörigen Museum in der österreichischen Hauptstadt aufführte - mit überraschendem Ende

Eine Frau sitzt am Boden und schrubbt an einem grün-braunen Klumpen. Immer und immer wieder taucht sie ihn in den Eimer, hebt ihn kurz hoch, wringt ihn aus und schmeißt ihn zurück. Rote Tropfen spritzen dabei auf den Boden und verbinden sich zu einer schimmernden Lache. Die Frau ist Diana Burkot, Mitglied der weltbekannten und in Russland berüchtigten und verfolgten feministischen Pussy-Riot-Gruppe. Sie wäscht eine russische Militäruniform – mit ihrem eigenen Blut. 

Diese Performance fand vergangenes Wochenende im Wiener Aktionismus Museum statt. Eine erst im März dieses Jahres in Wien eröffnete Institution, die sich einer in Österreich hochverehrten künstlerischen Strömung annimmt: der blutigen, rituellen Aktionskunst der sogenannten Wiener Aktionisten. Als ihre Hauptvertreter versteht das Museum die Künstler Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler. 

Bekannt geworden ist diese Gruppe vor allem durch ihren grenzüberschreitenden, gewaltvollen Umgang mit dem eigenen Körper und Ritual-ähnlichen Zeremonien. So weidete Nitsch bei seiner "Blutorgel" im Jahr 1962 ein totes Lamm aus, zerriss es und spannte es kopfüber auf ein Kreuz. Rudolf Schwarzkogler bandagierte sich von Kopf bis Fuß und unterwarf sich selbstauferlegten Kuren und Fasten-Diäten. Günter Brus wurde durch Aktionen wie "Selbstverstümmelungen", "Transfusion" oder "Tortur" in den 1960er-Jahren bekannt. Die Titel beschreiben treffend, was das damalige Publikum zu sehen bekam.  

Müde davon, wütend zu sein

Diana Burkots Waschung könnte also kaum an einem besseren Ort aufgeführt werden als in dem mit Körperflüssigkeiten vertrauten Aktionismus Museum. Auch eine Installation und Video-Arbeiten von ihr sind dort zu sehen. In einem der Filme bearbeitet Burkot ein gewaltiges Monument aus Kanonen und einer Soldatenstatue in ihrer russischen Heimatstadt Lyubertsy mit Blut. Die zugehörige Installation besteht aus langen, tiefroten Strängen, die schwungvoll von der Decke hängen. 

Die Ausstellung "Sweat and Blood" fügt sich ästhetisch stimmig in den Bestand des Hauses ein. Doch der zugrundeliegende politische Kontext ist erdrückend. Seit dem umfassenden russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 mussten fast alle Mitglieder von Pussy Riot ihre Heimat verlassen, weil die Aktivistinnen in Russland als Kriminelle verfolgt werden und ihnen bis zu sieben Jahre Straflager drohen. Sie leben nun verstreut im Exil in London, Reykjavík, oder den USA. Dort protestieren sie gegen den Krieg und gegen Putin: mit Kunst, Musik und Aktivismus. 

Trotzdem habe sich bisher nichts verbessert. Putins Krieg gehe immer weiter, und die Menschen hätten sich mittlerweile daran gewöhnt, sagt Diana Burkot: "Ich denke viel darüber nach, wie man die Leute erreichen kann. Ob man sie eher radikal oder emotional anspricht. Pussy Riot und andere Aktivisten versuchen so viel, um mit ihnen zu sprechen und klarzumachen, was gerade passiert. Aber sie hören uns nicht zu". Burkot sagt, sie sei mittlerweile müde davon, wütend zu sein. 

Radikale und ungeschönte Kunst

Dennoch sei es schon immer ihr Traum gewesen, sich in die Nachfolge des Wiener Aktionismus zu stellen und genauso radikale und ungeschönte Kunst zu machen. Mit Burkot bekommt das Medium Blut im Museum jedoch eine zusätzliche Bedeutung. Ihr Blut ist das einer im eigenen Land verfolgten Russin, die im Exil gegen den Krieg kämpft, fernab der schamanistischen Ideen der 1960er-Jahre. 

Das Ritual der Reinigung wiederum reiht sich bei ihr außerdem in eine feministische Tradition ein. Die bekannteste kunsthistorische Waschung performte vermutlich die US-amerikanische Künstlerin Mierle Laderman Ukeles im Jahr 1973. Damals schrubbte sie während der Öffnungszeiten die Treppen des Wadsworth Atheneum Museum - und machte so unbeachtete, traditionell weibliche Arbeit sichtbar. 

Das Waschen als feminin konnotierte Tätigkeit kann aber auch im Kriegskontext, wie bei Burkot, als Bewältigung von Traumata und Gräueln betrachtet werden. Diese werden meist von Männern verübt und müssen anschließend von den Frauen einer Nation "weggeputzt" werden. Sowohl wörtlich als auch emotional im Sinne von psychischer Care-Arbeit für ein traumatisiertes Land. 

Konfrontation mit Krieg und Schuld

Eine direkte Inspiration sei für sie Marina Abramovićs Stück "Balkan Baroque" gewesen, sagt Diana Burkot. In dieser Performance aus dem Jahr 2000 saß Abramović vier Tage lang inmitten eines Berges von blutigen Rinderknochen und putzte und schrubbte sie, während sie jugoslawische Totenlieder sang und so an die verheerenden Kriege in der Region erinnerte. 

In Wien kämpft Diana Burkot während ihrer Performance minutenlang mit der Uniform, taucht sie immer wieder in das Blut und knetet und wringt so lange, bis der robuste Stoff sich endlich leicht rosa färbt. Dann lässt sie das nasse Bündel auf den Boden fallen. Wie eine ausgespuckte Plazenta liegt das russische Soldatenkleid inmitten einer Blutlache auf dem Boden des Museums. 

Dann, als niemand es erwartet, steht die Künstlerin auf und kippt mit einem wütenden Schwung das übrige Blut aus dem Eimer in die Zuschauenden, die vor ihr stehen. Sie verlässt wortlos den Raum. Sichtlich verwirrt und zwischen Ekel und Überraschung gefangen bleiben die Besucherinnen und Besucher zurück. Zumindest in diesem kurzen Moment ist ihnen der Krieg näher als je zuvor. Er haftet fast an ihnen.