Gigantischer Energieverbrauch

KI ist kein Engelchen, das unsere Aufgaben meistert

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Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Energiefresser: Künstliche Intelligenz braucht Unmengen Strom, Tendenz steigend

Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen selbstverständlich geworden, doch über den enormen Ressourcenverbrauch der Technologie wird kaum gesprochen. Es braucht dringend nachhaltige Alternativen

Für viele hat sich der Einsatz von KI im Berufsalltag im Verlauf des letzten Jahres als selbstverständliches und praktisches Tool etabliert. Und das in Bereichen, die auf den ersten Blick gar nicht so augenscheinlich sind. Eine Architektin, die viel mit öffentlichen Anstalten zu tun hat, berichtete mir, dass sie ihre Meetings mittlerweile alle aufzeichnet und dann mit KI transkribieren und zusammenfassen lässt, was die Workflows wesentlich verbessert haben soll. Ein Pressesprecher einer NGO erklärte, dass er mit Hilfe von KI interne Mitteilungen, aber auch Pressemitteilungen verfasst, und von einem Mediziner hörte ich, dass er aktuelle Studien in Notebook LM speist, um sie sich während seiner Autofahrten durch die – in der Tat beeindruckende – Audiofunktion als generierten Podcast mental einzuverleiben.

Auch ich habe endlich eine funktionierende KI-Transkriptions-Software gefunden, die mir lange Interviews binnen weniger Minuten verschriftlicht und so stabile Ergebnisse liefert, dass ich mich wundere, wie viele kostbare Stunden, wenn nicht Tage meines Lebens ich in der Vergangenheit für das Abtippen von hunderten Interviews "verschwendet" habe.

So weit, so gut. Eines der zahlreichen Versprechen von KI scheint eingelöst. Zum einen sind wir alle (noch) nicht arbeitslos geworden, zum anderen hat KI sich als komfortabler Helfer zumindest einiger Menschen etabliert. Es ist aber ein Missverständnis, weiterhin zu glauben, dass KI ätherisch in der Cloud schwebt und wie ein Engelchen unsere Aufgaben meistert. Für KI-Applikationen haben sich mittlerweile kleine funkelnde Sternchen als Icon etabliert, was ebenso irreführend ist. Denn all diese Plattformen sind eine massiv umweltbelastende Schwerindustrie.

Die weltweite Stromkapazität würde nicht reichen

Die digitale Wirtschaft war von Beginn an enorm energieintensiv - und wird mit dem Aufkommen von KI in der Breite noch wesentlich schädlicher. Zur Einordnung: Würde ChatGPT heute so viele Suchanfragen wie Google bekommen – es sind am Tag circa 3,5 Milliarden –, die weltweite Stromkapazität würde dafür nicht reichen. 

Heute nimmt die globale IT-Industrie geschätzt vier bis acht Prozent des weltweiten Energieverbrauchs in Anspruch. Dabei leben wir schon in dem Wissen, dass das Mining von Kryptowährungen, Streaming und Internet nicht sonderlich nachhaltig sind, vor allem in den Regionen, die noch verhältnismäßig wenig auf erneuerbare Energien, sondern auf Kohlestrom setzen. Wie etwa China, das neben den USA der zweite Global Player der "KI-Revolution" ist.

KI-Rechenzentren brauchen auch sehr viel Wasser. Für 2027 schätzt man den Verbrauch der weltweiten KI-Plattformen auf vier bis sechs Milliarden Kubikmeter, das ist in etwa das Vier- bis Sechsfache des jährlichen Wasserverbrauchs von Dänemark. Dabei ist das eine recht konservative Prognose, denn von den allermeisten Dienstleistungen, die im Laufe der nächsten Jahre entstehen werden, wissen wir noch nichts. 

Eine Aufgabe, die mit derzeitigen Mitteln nicht zu lösen ist

Derzeit entstehen wöchentlich unzählige neue KI-Start-ups, und der Trend wird erstmal bestehen bleiben. Wir stehen quasi (mal wieder) vor einer menschengemachten Aufgabe, die eigentlich mit derzeitigen Mitteln nicht zu lösen ist. Und die Frage, wie wir parallel dazu die globalen Klimaziele erreichen wollen, rückt mindestens so weit weg wie das kommende Weihnachtsfest am verkaterten Neujahrsmorgen. 

Die KI-Wissenschaftlerin und Professorin an der University of California in Los Angeles Kate Crawford, spricht in ihrem Buch "Atlas der KI" von Extraktionismus, um diese Prozesse zu beschreiben und zu analysieren. Sie verweist auf die immensen ökologischen und somit auch sozialen Folgen des KI-Booms, die allesamt auf der Ausbeutung von Ressourcen basieren. 

Da wäre die Förderung von Rohstoffen wie seltene Erden und Metalle, die für die Produktion der Hardware und Prozessoren der gigantischen Serverfarmen benötigt werden. Hinzu kommt der Verbrauch von Strom und Energie, wie eben skizziert. Aber auch die Extraktion von menschlicher Arbeitskraft spielt eine wesentliche Rolle, viele Tätigkeiten im Sektor KI-Training werden durch crowdworking realisiert, das, wenn überhaupt, oft nur im Cent-Bereich vergütet wird. Und nicht zuletzt wäre da die Verarbeitung der bestehenden Daten, wie jene aus sozialen Medien, dem World Wide Web, aber auch von Sensoren und Überwachungskameras, die allesamt vernetzt sind und somit auch Fragen zu Datenschutz, Urheberrecht und Privatsphäre aufwerfen. 

Objektive Diplomatie der Marke Merz

Extraktionismus, so Crawford, sei inhärenter Bestandteil der KI-Industrie, die weitestgehend versucht, diese negativen Effekte unter Verschluss zu halten. Es sei an der Zeit, nachhaltige Alternativen zu entwickeln. Unternehmen wie Google und Microsoft sehen ihren Lösungsansatz darin, eigene kleine Atomkraftwerke für den Betrieb ihrer Rechenzentren zu bauen. In wenigen Jahren sollen die ersten KI-Mini-AKWs in Betrieb gehen. 

Auch geopolitisch befinden wir uns auf dem Rückzug, was den Ausbau regenerativer Energien anbetrifft. Donald Trump setzt in seiner kommenden Legislaturperiode primär auf fossile Energien und Fracking und will bestehende Windkraft- und Solaranlagen wieder abbauen. Aber auch der möglicherweise nächste Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte kürzlich in der Talkshow "Maybrit Illner", dass er plane, Windräder wieder abzureißen, weil sie a) nur eine "Übergangstechnologie" seien und b) "hässlich". So sieht objektive Diplomatie der Marke Merz aus. Als wären Kraftwerke imposante, für den Tourismus attraktive Kathedralen des Brutalismus. 

Auch die kürzlich beendete UN-Klimakonferenz in Baku zeigte wieder deutlich, wie wenig die großen Industrieländer weiterhin bereit sind, Kompromisse einzugehen, wenn es darum geht, die besonders hart von der Klimakrise betroffenen Länder des globalen Südens finanziell zu unterstützen, um die Folgen der weltweiten CO₂-Emission zu kompensieren. 

AGI wird noch mehr Energie benötigen

Parallel setzen Firmen wie Google, OpenAI und Meta mit viel Geld auf die Entwicklung der nächsten Evolutionsstufe von KI. Artificial General Intelligence, kurz AGI, soll und wird aller Voraussicht nach der nächste große Schritt sein. 

Kritiker sagen zwar, dass das Vorhaben nie realisiert werden wird, andere gehen aber davon, dass sich in zehn bis 20 Jahren diese neue Form der "universellen" Intelligenz etablieren wird. Wie das genau aussehen könnte, weiß heute zwar keiner. Eines ist aber schon klar: AGI wird noch einmal viel mehr Energie benötigen, als es KI-Systeme der Gegenwart tun.