Österreich ist schon ein eigenartiger Ort. Dort, hinter den Bergen, leben Almans, die Deutschland vorzeigen, wie es selbst in zehn bis 15 Jahren politisch aussehen könnte. Immerhin haben vor einem Monat fast 30 Prozent der österreichischen Wähler*innen, meist bei vollem Bewusstsein, ihre Stimme Herbert Kickl geschenkt. Einem Politiker, der – wie Adolf Hitler – "Volkskanzler" werden möchte. Da wirkt sogar das Adjektiv "rechtsextrem" stark untertrieben.
Eigenartig ist das alles aber nicht im Vergleich zu Deutschland. Wenn man im deutschen Glashaus sitzt, sollte man nicht mit politischer Verachtung um sich werfen. Nein, die Eigenartigkeit ist in Österreich anderswo zu suchen: Ich war im Sommer in Wien unterwegs und habe mich dort regelrecht durch Restaurants und Märkte gefressen: Erdäpfelknödel, Topfenparfait mit frischen Marillen, ein echtes Wiener Schnitzel, Apfelstrudel. Es ist diese kulinarische Freude, die das Eigenartige am Mutterland des deutschsprachigen Faschismus ausmacht: Sie haben guten Geschmack und geben auch noch willentlich Geld für Lebensmittel aus. Das wirkt aus deutscher Sicht merkwürdig, etwas verstörend. Ich muss traurig feststellen: Ich würde Österreich, dieses hochkorrupte, rechtslastige, ewig gestrige, merkwürdige Stück Land aus kulinarischen Motiven doch ein bisschen vermissen.
Es tröstet aber ein wenig, sich den österreichischen Genuss in die eigene Küche zu holen. Der Herbst ist die beste Jahreszeit für Kaiserschmarrn, den kaiserlich-königlichen Klassiker schlechthin. Ich muss sagen: Ich hatte großen Respekt vor diesem Gericht, weil ich weiß, dass es schnell in die Hose gehen kann. Wichtig ist aber nur eine gute Pfanne, an der ein Schmarrn nicht kleben bleibt – zumindest nicht so stark wie viele Österreicher*innen an eine längst vergangene, braune Epoche.
Serviceorientierter Nationalsozialismus
Für zwei Portionen Kaiserschmarrn aus folgenden Zutaten einen glatten Teig rühren: 2 Eier, 60 g Mehl, 60 ml Milch, eine Prise Salz, einen halben TL Backpulver und 25 g Zucker. In eine gebutterte Pfanne einen dicken Pfannkuchen ausbacken. Wenn er auf der unteren Seite goldbraun wird mit Hilfe eines flachen Tellers umdrehen. In der antifaschistischen Pfanne mit zwei hölzernen Kochlöffeln in Stücke reißen und fertig backen. Etwas abkühlen lassen und mit Puderzucker bestreuen. Ich habe den Schmarrn mit warmer Marillenmarmelade serviert. Köstlich. Tröstend.
Beenden will ich diese Kolumne diesmal aber nicht mit dem Rezept. Sondern mit einer kleinen Beobachtung aus österreichischen Wahlkämpfen: Auf einer FPÖ-Veranstaltung habe ich dieses Jahr entdeckt, dass man dort seine alte Kleidung von einer Schneiderin gratis flicken lassen kann während man Kickl und Co bei ihren Hasspredigten lauscht. Serviceorientierter Nationalsozialismus könnte man das nennen. Wenn die FPÖ bald dafür sorgt, dass die Grenzen komplett geschlossen, die meisten Arbeiter*innen aus dem Land vertrieben, Minderheiten liquidiert, die Preise für österreichische Köstlichkeiten zwangsweise steigen werden, ist es gar nicht so verkehrt, zumindest an der Kleidung zu sparen.
Für den Genuss würden die meisten Almans an diesem sonderbaren Ort weiterhin ein Vermögen ausgeben.