Nach der Antisemitismusdebatte um die jüngste Documenta soll die internationale Kunstausstellung in Kassel zum Modell im Umgang mit dieser Frage werden. "Wir wollen aus dem Krisenfall einen Beispielfall machen", sagte der hessische Kulturminister Timon Gremmels am Mittwoch im Kulturausschuss des Bundestages. Dabei gehe es nicht allein um die Documenta, "sondern die Frage: Wie ist es in Deutschland noch möglich, internationale Ausstellungen mit Weltanspruch zu machen?".
Als ein Beispiel nannte der SPD-Politiker die Findungskommission für eine künstlerische Leitung. Bereits diese Kommission solle für Vielfalt stehen. Gremmels kündigte an, das Gremium solle demnächst präsentiert werden und bis Jahresende eine künstlerische Leitung finden. Diese habe dann zweieinhalb Jahre Zeit, die Documenta vorzubereiten. Die 16. Ausgabe ist vom 12. Juni bis 19. September 2027 geplant.
Gleichzeitig sagte Gremmels: "Der Termin ist nicht in Stein gemeißelt, uns geht es um eine erfolgreiche Documenta." Möglich sei auch ein Jahr später. Es sei wichtiger zu zeigen, "dass zeitgenössische Kunst in den herausfordernden Zeiten, die wir heute haben und die wir dann sicherlich auch noch 2027 haben werden, machbar und gangbar ist".
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Documenta-Gesellschaft, Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller, verwies bei der Befragung im Ausschuss auf die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit. "Selbstverständlich gewährleistet die Documenta, wie jede andere Ausstellung in Deutschland, die Kunstfreiheit", sagte der Grünen-Politiker. Einschränkungen gebe es nur durch andere Grundrechte und andere Werte im Grundgesetz. Der Schutz der Menschenwürde etwa ist nicht mit Antisemitismus vereinbar.
Hilflosigkeit und mangelnder Dialog
Nach der Strukturreform gibt es aus Sicht Schoellers "einen umfassenden Werkzeugkasten für den Umgang mit antisemitischen Äußerungsformen". In einem solchen Fall gehe es etwa nicht um die Frage, ein Kunstwerk hängenzulassen oder abzunehmen, sondern laut Schoeller und Gremmels zunächst um Kontextualisierung. Die jüngste Documenta sei von "Hilflosigkeit und vor allem auch von einem mangelnden Dialog geprägt gewesen", so Schoeller.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth, deren Haus künftig mit zwei stimmberechtigten Plätzen im zwölfköpfigen Aufsichtsrat vertreten sein soll, sprach von sichtbaren Verbesserungen. Noch wichtiger als Regulierungen beim Zuwendungsrecht sei im Kampf gegen Antisemitismus "eine viel deutlichere und von einer breiten Mehrheit getragene Positionierung aus dem Kulturbereich", sagte die Grünen-Politikerin.