In deutschen Museen und Universitäten lagern etwa 17.000 menschliche Überreste aus kolonialen Zusammenhängen. Diese Zahl ermittelte die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland. Die genaue Anzahl könne auch noch über den angegebenen Schätzungen liegen, hieß es dazu am Freitag. Rund 38 Prozent der übermittelten Zahlen seien summarische Angaben.
Basis war die Befragung von 33 Einrichtungen mit relevanten Beständen menschlicher Überreste in anthropologischen, anatomischen, medizinhistorischen, ethnologischen oder paläontologischen Sammlungen. Die Bestände sind meist in der Zeit etwa ab 1750 entstanden.
Die Überreste stammen von allen Kontinenten. Mit 46 Prozent lässt sich etwa die Hälfte der Überreste bisher nicht geografisch zuordnen. Die Mehrheit der geografisch zuzuordnenden menschlichen Überreste (71 Prozent) stammt aus Regionen Afrikas und Ozeaniens. In 68 Prozent der Einrichtungen sind menschliche Überreste als Inventar erfasst, auf 48 Prozent kann digital zugegriffen werden.
"Wichtig ist respektvoller zugewandter Umgang"
"Die Frage des Umgangs mit menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten ist sensibel. Die Bedeutung von und der Umgang mit Verstorbenen ist in den ethischen Wertvorstellungen und Weltbildern der Herkunftsgemeinschaften verankert", hieß es in einer Mitteilung. "Wichtig ist der respektvolle, zugewandte Umgang mit den Nachfahren."
Ergebnisse und Folgerungen sollen mit Expertinnen und Experten insbesondere aus den Herkunftsländern beraten werden. Die von Bund, Ländern und Kommunen getragene Kontaktstelle soll ein Konzept zum weiteren Umgang erarbeiten. Darin soll es gehen etwa um Fragen, was in den Sammlungen zur sogenannten Re-Humanisierung der menschlichen Überreste unternommen werden muss, "damit ihnen wieder Würde und Respekt zusteht".
Zudem sollen ethische Standards für eine angemessene Aufbewahrung geklärt werden. Auch um Analysemethoden zur Klärung der jeweiligen Herkunft, Transparenz sowie Chancen und Grenzen der Provenienzforschung soll es dabei gehen. Zudem ist zu klären, was mit menschlichen Überresten geschehen soll, deren Herkunft nicht geklärt werden kann.
"Chance, es besser zu machen"
"Aus der deutschen Kolonialgeschichte heraus erwächst auch Museen und Sammlungen eine besondere Verantwortung, der sie sich stellen müssen", sagte der Vorsitzende der Kulturministerkonferenz, Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs, in der Mitteilung. "Der Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonialem Kontext in Deutschland war in der Vergangenheit häufig fragwürdig. Jetzt haben wir die Chance, es besser zu machen."
Aus Sicht des Generalsekretärs der Kulturstiftung der Länder, Markus Hilgert, leistet der Bericht "einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Wissenschafts- und Institutionengeschichte". Die Einrichtungen stünden damit vor "enormen Herausforderungen".
Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, berichtete vom Wunsch der Nachfahren "nach mehr Transparenz und Information über den Verbleib ihrer Vorfahren". Dabei gehe es auch konkret darum, "ihre Ahnen in der Heimat beerdigen zu können". Aus Sicht von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gehören menschliche Gebeine aus kolonialen Kontexten nicht in Museen und Sammlungen. "Zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte gehört es, einen angemessenen Umgang damit zu finden und Maßnahmen zur Rückführung in die Herkunftsländer zu entwickeln."